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Cornelius

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Alle erstellten Inhalte von Cornelius

  1. Hallo @Sidgrani und @Stavanger, auf euer Lob hin habe ich auch nur noch ein Wort: Danke! Auch für die Geduld beim Lesen... Gruß Cornelius
  2. I An des Toten Meeres Strand liegt ein ödes, heißes Land. Hier in diesem Tal des Todes herrscht seit Jahren Fürst Herodes, welchen jeder, der ihn kennt, einfach den Tetrarchen nennt. Er regiert mit schwacher Hand hier in seinem Niemandsland. Für Herodias, sein Weib, ist das Herrschen Zeitvertreib, und Johannes, dem Baptisten, Urbild eines frommen Christen - was auch immer dieses sei, ist ihr herzlich einerlei -, hofft sie, hinter feuchten Ziegeln bald die Lippen zu versiegeln. Jener wagt seit vielen Tagen, sie vermessen anzuklagen, weil sie mit dem eignen Schwager sich vergnügt im Ehelager. Mag man ihn auch heilig nennen: Fastend durch die Wüste rennen, Leute in den Jordan tauchen - so was kann sie nicht gebrauchen. Auf dem Grunde der Zisterne, abgeschirmt vom Licht der Sterne und von allem abgeschlossen, predigt er noch unverdrossen. Jeden Abend um halb Acht tönt es aus dem Brunnenschacht: "Gottes Wort will ich verkünden: Volk, bereue deine Sünden! Doch ihr Menschen wollt nicht hören, lasst euch eure Ruh nicht stören. Seht, nach mir wird Einer kommen, gegen den wird euch nichts frommen. Würdig darf ich mich nicht finden, die Sandalen ihm zu binden. Kommt erst jener Menschensohn, dann empfangt ihr euren Lohn für das Gute, für das Schlechte, ob Verworfne, ob Gerechte!" Darauf schweigt er wieder still, dem kein Ohr sich neigen will. Nur Herodes lauscht beklommen und er ahnt es ganz verschwommen: Jener, den man nicht versteht, ist womöglich ein Prophet... II Wenn des Mondes Sichel schimmert und der Kauz im Wadi wimmert, hört man meistens den Tetrarchen schon in seinem Bette schnarchen. Heute freilich wird die Nacht bis zum Morgen durchgewacht, denn in seinem Wüstennest feiert er sein Wiegenfest. Die illustre Gästeschar amüsiert sich wunderbar. Alle Speisen sind genossen, Wein ist reichlich schon geflossen. Zu des Festes Ausgestaltung fehlt noch leichte Unterhaltung. Schon erscheint vor ihren Blicken auf des Herrschers stummes Nicken seine Tochter, tief verhüllt, einer Göttin Ebenbild, und zum sanften Klang der Leier lüftet sie den ersten Schleier. Durch die Reihen geht ein Raunen. Auch Herodes kann nur staunen, wie sein Stiefkind fein und zierlich und dazu noch ganz manierlich taktfest beide Hüften schwingt, während süß die Leier klingt. Als das zweite Tuch sich hebt, fühlt er, wie sein Schoß erbebt. Fort fliegt Schleier Nummer Drei, und mit unterdrücktem Schrei sinkt Herodes in den Pfühl. Wie ist diese Nacht so schwül! Aus dem feinsten Stoff gewoben, wird der vierte angehoben. Auch der fünfte gleitet sacht von des schlanken Leibes Pracht. Seine Hand vor Augen hält, als der sechste Schleier fällt, der Tetrarch in süßem Bangen. Heiß erglühen seine Wangen. Wird am Ende hier vor allen auch der letzte Schleier fallen? Als sie just denselben lupft, wird der letzte Ton gezupft. Da erstarrt die Tänzerin von der Ferse bis zum Kinn, gleicht in ihrer stummen Pose einer zarten Wüstenrose. Und Herodes, der Tyrann, steht bezaubert wie im Bann. Seine Sinne sind benebelt, sein Verstand ist ausgehebelt: "Liebstes Kind, für dies Entzücken will ich fürstlich dich beglücken! Sage mir geschwind nun an, was dich wohl erfreuen kann!" Ihre Mutter sieht man lüstern in das Ohr des Kindes flüstern. Darauf wird die Bitte kund durch der Tochter Rosenmund: "Stiefpapa, es wäre nett, wenn auf silbernem Tablett, blank poliert und abgestaubt, läge: des Johannes Haupt. Dieses und ein Gläschen Punsch - das ist deiner Tochter Wunsch." Der Tetrarch greift sich ans Herz: "Lass den unbedachten Scherz! Fordre jeden Fisch im Teich, ja, mein halbes Königreich! Fordre meiner Augen Licht, aber dieses fordre nicht!" "Doch, versprochen ist versprochen! Ist dein Wort so leicht gebrochen?" Schmerzlich muss er jetzt empfinden, wie ihn seine Worte binden. Also spricht er resigniert, während er zum Monde stiert: "Meiner Tochter soll man geben, was sie forderte soeben." Kaum ist dieser Wink erteilt, als der Henker schon enteilt. Kurz darauf wird mit Bedacht die Bestellung überbracht. Doch den Gästen dünkt das Spiel nun an diesem Punkt zu viel. Selbst der Mond hüllt Wolkenfetzen um sich, die am Himmel hetzen, weigert sich, den mordverseuchten Schauplatz länger zu beleuchten. Nur das junge Königskind wandelt still im Abendwind, senkt verzückt die Augenlider, kniet vor jenem Antlitz nieder, um von seinen blassen Lippen scheu den ersten Kuss zu nippen. "Grauen häuft sich hier auf Grauen!" Der Tetrarch mag nicht mehr schauen, lässt die Wachen mit den Schilden zügig einen Halbkreis bilden und sein Töchterlein zermalmen. Nur der Wind rauscht in den Palmen. Grillen und Zikaden geigen ihren Chor. Der Rest ist Schweigen.
  3. Guten Morgen Delf und liebe Frühlingsnachtschwärmer, wie wäre es, wenn die Sterne ein funkelndes Kleid trügen: In himmlischer Ferne und funkelndem Kleid... Das ist vielleicht nicht rasend originell, würde aber gut mit dem "schimmernden Glänzen" zusammenpassen, außerdem hätten wir die (zeilenübergreifende) Alliteration Ferne/funkelnd. Ein "nachtblaues" Kleid gefiele mir auch, wäre aber metrisch nicht ganz nach Maß geschneidert: In himmlischer Ferne und nachtblauem Kleid... weil dann das eigentlich akzenttragende "blau" in die Senkung abtaucht. Das ist wieder einmal die amphibrachische Tücke. In einem Limerick erhöhen solche Tonbeugungen die gewollte Komik, aber du schreibst hier ja keinen Limerick... Sids Vorschlag bezüglich der flötenden Faune verdient es, ernsthaft in Betracht gezogen zu werden. Gruß Cornelius
  4. Hallo Delf, so, wie sie jetzt hier steht, klingt die "Alraunenstrophe" für mich richtig rund und harmonisch. Eventuell könnte ich mir die jetzige zweite Strophe auch als letzte vorstellen, so dass sie das Gedicht als "mystisches Fest" ausklingen ließe. Der Abschluss mit dem Ausruf "Der Frühling erwacht!" hat natürlich auch Einiges für sich. Im Übrigen bin ich der Meinung - nein, nicht dass Karthago zerstört werden muss - sondern dass ein Gedicht fertig ist, wenn man nichts mehr weglassen kann. Wobei die Szene, die du hier heraufbeschworen hast, sehr dazu verlockt, sie mit weiteren Details auszuschmücken. Raunende Grüße Cornelius P. S. Komme gerade von einem kleinen Nachtspaziergang zurück und habe auf der Wiese im Mondschein tanzende Rehe beobachtet...
  5. Guten Abend Delf und Kommentatoren, dieses Gedicht hat mich mit seiner Stimmung und nicht zuletzt dem federleichten Rhythmus völlig gefangen genommen. Ich halte ja den Amphibrachys für das am schwierigsten zu handhabende Versmaß (unter den mir bekannten - so viele sind das nicht...), eben wegen der schon von Claudi angesprochenen Gefahr, dass betonte "schwere" Silben hier sehr leicht in der (Ver-)Senkung verschwinden. Diese Klippen hast du sehr elegant umschifft, bis auf die beiden letzten Verse, für die ich zu gerne eine Alternative anbieten möchte, aber mir will bis jetzt auch nichts Besseres einfallen als: Im nächtlichen Raunen der Winde erklingt das Flöten von Faunen, harmonisch beschwingt. Die definitive Lösung ist das sicher noch nicht, aber wenn ich mir die bisher eingereichten Vorschläge betrachte, habe ich das Gefühl, dass wir uns gemeinsam (vielleicht auf dem Wege einer Fusion der besten Varianten) so langsam aber sicher dem Ziel nähern könnten... Faunische Grüße Cornelius
  6. Hallo und guten Abend...! @Zarathustra : Danke für deine lobenden Worte...Dein Wunsch sei mir Befehl: Beim nächsten Mal gibt's eine Story aus dem Neuen Testament. @Anaximandala : Uii, so ein dickes Lob...Ja, der Paarreim kann mehr als mancher denkt. 😉Meine erste biblische Ballade habe ich für ein bibelfestes befreundetes Ehepaar in der Nachbarschaft verfasst. Beide sind große Paarreimliebhaber. Nachdem sie Gefallen an meinem Werk gefunden hatten und Nachschub wünschten, bin ich dann der Einheitlichkeit des so entstehenden Zyklus zuliebe beim Paarreim (und beim Trochäus) geblieben... Grüße Cornelius
  7. Hallo @S. Athmos Welakis, welche Musik lief im Hintergrund, als diese Verse aus deiner Feder flossen? Ich möchte fast vermuten, etwas Klassisches (wegen des "furiosen Finales"), aber natürlich kann jede Art von Musik ein empfängliches Gemüt in den beschriebenen Rausch versetzen. Applaus für dein Gedicht! Gruß Cornelius
  8. Cornelius

    Samson und Delila

    I Gottes Volk trägt voller Würde schweigend seine schwere Bürde: Fremd und beinah wie verbannt fühlt es sich im Heimatland, denn der oberste Minister stammt vom Volke der Philister. Deren lästerliches Treiben lässt sich nüchtern kaum beschreiben. Niemand will es ihnen wehren, Dagons Fischkopf zu verehren. Für den einzig wahren Gott haben sie nur Hohn und Spott. Samson, der gerechte Richter, jedes Streites edler Schlichter, hat mit List und Muskelkraft manches aus der Welt geschafft, was die Fremden an Schikanen planten für die Untertanen. Doch selbst Helden seines Schlages können eines schönen Tages Herz und auch Verstand verlieren, müssen schmachtend vegetieren, wandeln wachend wie im Schlaf, wenn ein Liebespfeil sie traf. Bei des Abendwindes Fächeln grüßt ihn mit verschmitztem Lächeln eine Tochter der Gemeinde seiner so verhassten Feinde. Da ist böser Rat nicht teuer bei solch heißem Liebesfeuer: Diesen starken Mann zu zähmen soll Delila sich nicht schämen, ihn verführen und bezwingen. Würde ihr dies wohl gelingen, wollte ihren zarten Händen reichen Lohn man gerne spenden. II Wo die Turteltauben girren und Libellenflügel schwirren, steht Delilas Pavillon mit Terrasse und Balkon. Ihren Liebsten zu erwarten, sitzt sie schön geschminkt im Garten. Als er in die Laube tritt, weicht sie einen kleinen Schritt, legt die Stirn in Sorgenfalten, ihn ein wenig hinzuhalten: "Sage mir, geliebter Mann, wie man dich wohl binden kann! Dreimal in den letzten Tagen ist es uns schon fehlgeschlagen. Weil du dich verschlossen zeigst, dein Geheimnis mir verschweigst, sag ich dir ins Angesicht: Samson, nein - du liebst mich nicht!" "Da du so sehr in mich dringst und mich unter Tränen zwingst, will ich es dir offenbaren: Nur in meinen langen Haaren liegt die Quelle meiner Kraft und auch meiner Leidenschaft." Wie sein Herz zerfließen muss bei dem langen, heißen Kuss, den Delila hoch entzückt jetzt auf seine Lippen drückt! Kaum, dass er sie sprechen hört, schon vom süßen Rausch betört. Samson sinkt zu ihren Knien, lässt sich sanft zu Boden ziehen. Da - geschwind aus dem Verstecke einer wilden Rosenhecke stürzt sich die bestellte Meute wie ein Löwe auf die Beute. Die ihn lockte ins Verderben durch ihr holdes Liebeswerben, sie gewahrt es ohne Tränen, wie nun Samsons Lockensträhnen die geschärfte Klinge mäht - und kein Hahn, der nach ihm kräht. Noch im Augenblick erschlafft seine wilde Manneskraft. Zu vollenden seine Qual, fährt der kalte, blanke Stahl wie ein Blitzstrahl blendend nieder unter seine Augenlider. Aber die Geliebte spürt keinen Schmerz, bleibt ungerührt. In dem kühlen Schlafgemach zählt sie die Belohnung nach, zieht den Seidenvorhang zu und begibt sich still zur Ruh. III Tief im öden Kerker schmachtet Samson nun, vom Volk verachtet, muss gebeugt im Kreise gehen und den schweren Mühlstein drehen. Mit der letzten Kraft der Lunge fließt es von der schweren Zunge: "Herr, du kannst mein Elend sehen, so erhöre auch mein Flehen! Hab ein letztes Mal Erbarmen und verleihe meinen Armen ihre altgewohnte Stärke, dass ich zu gerechtem Werke sie noch einmal darf verwenden - und dann mag mein Leben enden." Als zum ersten Mal seit Wochen er mit seinem Gott gesprochen, hört er, wie mit leisem Schritt jemand ins Gewölbe tritt. Kaum hat er sich umgewandt, fühlt er eines Knaben Hand, welche ihn behutsam leitet, während er im Dunkel schreitet, ahnungsvoll, doch ohne Worte, durch des Dagontempels Pforte. Könnte unser Held noch sehen, würde es ihm jetzt vergehen. Nicht erspart wird ihm zu hören, wie in laut gegrölten Chören Dagons Lob man hier erhebt, und sein ganzes Ich erbebt. Eine Orgie ist im Schwang unter hellem Sang und Klang, welche lüstern und erregt sich zum Höhepunkt bewegt: Ihren Reigentanz beginnen halb entblößte Tänzerinnen. Zu verträumten Flötenweisen lassen sie die Hüften kreisen. Zu gepflegtem Pokulieren* soll dies Schauspiel animieren. Wer vergnügt sich hier mit wem? Hier und heute kein Problem - denn das reiche Festgedeck zielt auf einen hohen Zweck: Oft nach solchen Bacchanalen steigen die Geburtenzahlen, der Philister Volk zu mehren, dass sie sich noch besser wehren. Heute wollen sie sich weiden an des Lieblingsgegners Leiden, sehen ihn vor aller Welt öffentlich zur Schau gestellt. Auf des Tempels weite Bühne wird der hilflos schwache Hüne schwankend nun hereingeführt. Man ergötzt sich ungerührt, wie die auferlegten Qualen sich in seinem Antlitz malen. Zu dem Knaben flüstert er: "Ach, mir wird das Gehen schwer." Plötzlich fährt er sich durchs Haar, das schon nachgewachsen war, rüttelt kurz an zwei Pilastern, welche, schlank und alabastern, vor des Volks entsetzten Blicken gleich wie Schwefelhölzer knicken. Unter fürchterlichem Krach stürzt das ganze Tempeldach. Alle in dem frohen Reigen sind zerquetscht wie reife Feigen. Von dem ganzen Prunk und Tand bleibt nurmehr ein Haufen Sand. Samson hatte schon im Leben Tausenden den Tod gegeben. Mehr noch stürzen ins Verderben nun mit seinem frühen Sterben. Ist ein Held von Gott erkoren, lässt er niemand ungeschoren... (* Die Buchstaben p und k in dem Wort "pokulieren" dürfen gerne vertauscht werden)
  9. Cornelius

    In vino veritas

    Zwei honiggelbe Flammen tanzen im Roten aus der Lombardei. Ich schau durch Deko-Rankenpflanzen verstohlen in dein Konterfei. Wir treffen uns, zwei Unbekannte, zum ersten, wohl auch letzten Mal in Giannis Nobel-Ristorante, das uns die Agentur empfahl. Du siehst mich an, die Stirne runzelnd, an Umfang einer Seekuh gleich, dann wieder sibyllinisch schmunzelnd. O kehr zurück in Neptuns Reich! Zum Überfluss erscheinst du doppelt dem trunknen Blick im Kerzenschein. Mein Trost: Wir sind ja bald entkoppelt und ich werd morgen nüchtern sein.
  10. Hallo Patrick, falls du das Originalmanuskript dieser Erzählung mit einem Kugelschreiber zu Papier gebracht hast, dann hebe ihn bitte gut auf! Sehr gerne gelesen. Gruß Cornelius
  11. Hallo Carolus, "Schnee von gestern" - sehr schön! Traurig schön, diese bittere Ironie. Wer von uns fühlte nicht mit der bedauernswerten Kirschblüte? Frühlingsgrüße von Cornelius
  12. Moin Dio, was für ein poetisches Blutbad! Zugegeben: Ich habe mich von den betörenden Metaphern verführen lassen und bin dann doch in die Blutlache getappt. Jetzt fühle ich mich leichter... Gruß Cornelius
  13. Cornelius

    David und Goliath

    I Auf des Landes höchstem Hügel wartet mit verhängtem Zügel, aufgestellt bei Tag und Nacht, der Philister Heeresmacht. Vis à vis im Eichengrunde sammelt Israel die Runde seiner allerbesten Streiter, doch bedrückt sind Ross und Reiter. Täglich tritt mit festem Schritte aus der stolzen Feinde Mitte polternd ein erzürnter Hüne schwer gepanzert auf die Bühne. Selbst dem jungen Morgen graut, wird des Riesen Rede laut: "Hört, ihr traurigen Gestalten, und vernehmt des Schicksals Walten! Wirft mich einer in den Staub, nur den Geiern noch zum Raub, soll er unser Land regieren, darf sein Haupt die Krone zieren. Wird er diesen Zweikampf wagen und vor meiner Kraft versagen, ist er füglich mit euch allen meinem Volk als Knecht verfallen. Wer von euch ist so verwegen, sich mit Goliath anzulegen?" Diese schicksalhafte Frage wiederholt er alle Tage. Schon der Anblick seiner Waffen und sein unbeherrschtes Blaffen bringen jedes Kind zum Weinen, sieht man diesen Mann erscheinen. II Eines Tages stößt zum Tross David, Isais jüngster Spross. Einen Schinken, zart und mager, liefert er ins Heereslager, denn es werden seine Brüder nun mit jedem Tage müder. Außerdem ein Brot mit Kümmel, um sich vor dem Kampfgetümmel noch ein wenig zu erlaben an des Vaters guten Gaben. Vor des Feindes Blick verborgen, sehn sie, wie auch heute morgen Goliath sich in Stellung bringt, die gewohnte Rede schwingt. David hat gut zugehört und ist gar nicht sehr verstört. Eifrig denkt er drüber nach, was der Riese eben sprach. Auch verheimlicht man ihm nicht, das, was König Saul verspricht: Wer den Feind besiegen kann, wird sogleich zum reichen Mann. Mit Prinzessin Michals Hand winkt ihm noch das halbe Land. David läuft zum Königszelt und bewirbt sich dort als Held: "Höre mich, o großer König! Gelte ich vor dir auch wenig, nimm doch meine Bitte an: Stellen will ich mich dem Mann drüben auf dem grünen Hügel, denn mein Mut verleiht mir Flügel." Auf dies Wort fällt König Saul um ein Haar von seinem Gaul: "Sage mir, verwegner Knabe, ob ich recht verstanden habe. Bist du wirklich drauf versessen, dich in solchem Streit zu messen? Deine Wangen deckt doch kaum deines Bartes erster Flaum..." "König, wenn es dich auch wundert: Einer schreckt mich nicht, noch hundert. Diese kleine Schleuder hier trag ich Schritt für Schritt bei mir. Konnte vor des Raubtiers Wüten meine Schafe sie behüten, wird es ihr dann nicht gelingen, einen Menschen zu bezwingen? Jener Riese ist ja bloß auch ein Mensch - wiewohl recht groß." Bangt er auch um Davids Leben - Saul bleibt nichts, als nachzugeben und, obschon mit flauem Magen, ihm zum Abschied noch zu sagen: "Wer erfüllt des Himmels Walten, der ist niemals aufzuhalten. In dem Streite dich zu schützen, wird dir meine Rüstung nützen." Um den Herrscher nicht zu grämen, muss sich David nun bequemen, in das Panzerkleid zu schlüpfen, doch er kann in ihm kaum hüpfen, nicht einmal drei Schritte gehen, höchstens unbeweglich stehen. Also schält er sich heraus, und zu seines Königs Graus eilt er in ziviler Kleidung zur finalen Schlachtentscheidung. III An des Baches Silberquell sammelt er fünf Kiesel schnell, lässt sie in den Beutel gleiten, sich zum Kampfe zu bereiten. Goliath gießt, bereits im Trott, auf den Gegner seinen Spott: "Mama weint gar viele Tränchen über dich, du halbes Hähnchen!" David, still und konzentriert, hat die Schleuder rasch justiert, schickt dann auf bewährte Weise einen Kiesel auf die Reise. Goliath sieht, nur leicht verwirrt, was ihm da entgegen schwirrt. Das Geschoss durchschlägt die Stirn, dringt dem Riesen bis ins Hirn. Diese ungewohnte Schwere in der sonst gefühlten Leere bringt ihn aus dem Gleichgewicht, und er fällt aufs Angesicht. Des gestürzten Gegners Schwert wird von David nun begehrt. Dessen Klinge ist nicht stumpf, separiert das Haupt vom Rumpf. Samt dem Kiesel, der dort steckt, wird es stolz emporgereckt. Kluger Kopf kann Vieles wenden. Kraft steckt nicht nur in den Lenden...
  14. Hallo Delf, deine Zeilen regen mich zum Nachdenken an - und dazu, ein paar Zeilen zu improvisieren, von denen ich nicht weiß, ob sie als Antwortgedicht passen, aber ich werfe sie hier einfach mal hin: Kritik schlägt oft mit Absicht tiefe Wunden, dieweil sehr oft, wer sie zu äußern wagt, im Schein von fremdem Geistesblitz empfunden: Das hätt ich gerne selber so gesagt. Der arme Tropf, der Lorbeerblätter schneidet, für die ich selbst die Sichel schon gewetzt, wird just für seinen Glücksgriff sehr beneidet. Er kam zuerst. Das ists, was mich verletzt. Gruß Cornelius
  15. Cornelius

    Mister und Misses Shaw

    Mister Shaw, ein Brötchen kauend, spricht, zu seiner Gattin schauend: "Wissenschaftlich ist laut diesen Seiten in der Times erwiesen, dass die Frau, nun ja, dem Mann nicht das Wasser reichen kann in Betreff der Urteilskraft. - Reich mir mal den Apfelsaft." Die Gemahlin säuselt: "Schatz, für den messerscharfen Satz siehst du hier im kleinen Kreise die lebendigen Beweise. Klar ist doch, wer besser wählte und sich kongenial vermählte: Du hast dich für mich entschieden, ich war schon mit dir zufrieden." (Siehe zu dieser Begebenheit auch das Gedicht Misses Shaws Replik von Georg C. Peter.)
  16. Hallo Perry, wir sollten alle innehalten und lauschen, was Neptun - beziehungsweise Mutter Erde - uns zu sagen hat. Diese Botschaft hast du in eine wieder sehr stimmungsdichte maritime Momentaufnahme gefasst. Gerne an der Muschel gelauscht Cornelius
  17. Hallo Sid, bin noch ganz außer Puste...die rasanteste Goethe-Parodie, die mir je begegnet ist, vom Erl-König der PS*-starken Dichtung meisterlich in Szene gesetzt. (*PS: Poetische Satire) Ein Genuss. Gruß Cornelius
  18. Cornelius

    Die große Flut

    I In der Menschheit jungen Tagen muss Jehova schon beklagen: Diese Menschen, die er schuf, folgen nicht mehr seinem Ruf. Jeder ist sich selbst der Nächste. Noch der Faulste und der Trägste ist von früh bis spät bedacht, wie er andern Kummer macht. Einer hat stets recht gehandelt, ist mit seinem Gott gewandelt. Eines schönen Tages ruht Noah in des Mittags Glut, als er eine Stimme hört, die ihn feierlich beschwört: "Noah, höre mich, mein Knecht! Um die Erde steht es schlecht. Alles Fleisch hat schwer gesündigt, man erklärt mich für entmündigt. Ja, mich reut bei Tag und Nacht, dass ich Mensch und Tier gemacht. Löschen will ich meine Wut bald mit einer großen Flut, alle Seelen, die mich kränken, in dem Wasserschwall ertränken. Einzig dich und deine Lieben hab ich noch nicht abgeschrieben. Hör auf deine alten Tage, was ich heute zu dir sage: Meinem Rat sollst du vertrauen und dir einen Kasten bauen aus dem Holz von Zedernbäumen, wie sie diese Hügel säumen. Streiche Pech auf ihre Planken, um damit der Arche Flanken vor der Feuchtigkeit zu schützen. Auch ein Fenster wird dir nützen. Setzt du dieses ganz nach oben, werde ich dich dafür loben. Auch die Tür vergiss mir nicht, dann gehorchst du deiner Pflicht. Um in ihm bequem zu rasten, mache diesen ganzen Kasten gleich dreihundert Ellen lang, dann wird drinnen euch nicht bang. Dreißig Ellen hoch soll sein dieser wasserfeste Schrein. Fünfzig Ellen sei er breit, denn dann handelst du gescheit. Alles, was auf Erden kreucht und am Himmelsbogen fleucht, das begleite eure Fahrt, je ein Paar von jeder Art. Lasst ihr euch im Kasten treiben, werdet ihr am Leben bleiben." Zeit will Noah nicht verlieren, seine Lieben informieren: "Seid nicht faul und hobelt Bohlen, denn Jehova hats befohlen!" Welch ein Sägen, welch ein Hämmern schon im ersten Morgendämmern! Nur die lieben Nachbarn stehen, um der Arbeit zuzusehen, und so mancher fragt sich stumm, was man baut hier und warum... II Bald erscheint Jehova wieder: "Eifrig rührt ihr eure Glieder! Macht euch nun zur Fahrt bereit! Noch sind sieben Tage Zeit!" Alles, was bekannte Spuren hinterlässt in Wald und Fluren, was da zwitschert, grunzt und unkt, sammelt sich am gleichen Punkt. Kängurus und Schnabeltiere, Wasserschweine und Tapire, Elefanten und Giraffen, Orang-Utans, Nasenaffen, Fingertiere, Koboldmakis, Uakaris, Blasskopfsakis, Kaiserschnurrbart-Tamarine, Tanreks, Varis, Pangoline, Löwen, Tiger, Nebelparder, Ozelote, Fichtenmarder - jede Art von Säugetieren sieht man in den Kahn marschieren. Enten, Gänse, Pelikane, Mauersegler und Tukane, Gackeltrappen, Marabus, Loris, Aras, Kakadus, Emus, Nandus, Kasuare, Kahlkopfatzeln, Bali-Stare, Zimtbrustmotmots, Uhus, Schleier- eulen, Pfauen, Seidenreiher, Kolibris und Beutelmeisen wollen mit der Arche reisen. Gleich nach diesem großen Flattern schlängeln sich noch Strumpfbandnattern, Molche, Geckos, Leguane, Salamander und Warane schnell und lautlos mit an Bord an den reservierten Ort. Freilich: Dem Triceratops und manch andrem Vorzeitklops bleibt der Einlass streng verwehrt und sie machen schnaubend kehrt. Dann geht Noah mit den Seinen auch an Deck und löst die Leinen. Aus der Türe schaut ein Gnu und dann fällt die Klappe zu. An das Dach der Arche klopfen schon die ersten schweren Tropfen. Bald schon regnet es in Schnüren, und es kann sehr deutlich spüren alles, was im Innern lebt, wie das Schiff sich langsam hebt, sacht von seiner Kuppe gleitet und auf leichten Wellen reitet. Die Zurückgebliebnen flehen: "Lasst uns nicht im Regen stehen!" Doch es hilft kein Haareraufen, denn das Schiff ist ausgelaufen. Steigend mit des Wassers Pegel treibt es ohne Mast und Segel auf der glatten Oberfläche, während Flüsse, Seen und Bäche ungedämmt zusammenfließen, unaufhaltsam sich ergießen in ein uferloses Meer, wogend, schäumend, wüst und leer. Keines Lüftchens leisen Hauch spürt man in des Schiffes Bauch, den nur Grunzen, Blöken, Brüllen, Gackern und Gezwitscher füllen. Vierzig Nächte, vierzig Tage zählt man drinnen ohne Klage, bis das Regenrauschen schweigt und das Wasser nicht mehr steigt. Doch stets weiter geht die Fahrt der Geschöpfe aller Art. Fünfmal muss der Mond sich runden und kein Hafen ist gefunden. Ein gezielter harter Stoß beutelt jäh das ganze Floß. Eine hohe Bergesspitze bohrt sich tief in eine Ritze, und auf solch abrupte Weise endet nun die lange Reise hoch auf steilem Felsengrat im Gebirge Ararat. III Wie verwandelt ist die Welt, nirgends Haus noch Burg noch Zelt. Überall im Lande Pfützen, die nur Wasserflöhen nützen. Meterhoch bedeckt der Schlamm jeden Hügel, jede Klamm. Bleiern lastet dumpfes Schweigen. Keine Fliege will sich zeigen, kurz nur eines Blauwals Fluke. Noah öffnet eine Luke, lässt von seines Daches Gaube leicht entflattern eine Taube. Wenig später kehrt sie wieder, lässt sich auf der Schulter nieder, denn der quellende Morast duldet jetzt noch keinen Gast. Eine Woche muss verstreichen. Gibt es auf der Welt noch Eichen? "Flieg, mein Täubchen, ein paar Runden, um die Lage zu erkunden!" Als der Botin schnelle Schwingen sie zurück zu Noah bringen, hält im Schnabel jenes Tier einen Zweig als Souvenir. Es bedeutet dieser Gruß, dass man nun getrost den Fuß wieder setzt auf festes Land, dass die große Flut verschwand. Welche Freude wird empfunden nach so vielen bangen Stunden, als nun Gott die Worte sendet: "Eure Fahrt ist hier beendet. Nie mehr schicke ich Verderben über euch und eure Erben, bleibe ewig euch gewogen. Seht, dort oben glänzt ein Bogen, wo das helle Himmelslicht sich in frohen Farben bricht. Werde ich euch Regen schicken, sollt dies Zeichen ihr erblicken, euch an seinem Anblick freuen und das Wasser nicht mehr scheuen. Regen, Dürre, Frost und Hitze, Schnee und Hagel, Donner, Blitze hören niemals wieder auf, nimmt auch manches seinen Lauf. Doch die Erde bleibt bestehen, wird sich immer weiterdrehen. Füllt ihr weites Rund aufs Neue, aber haltet mir die Treue. Fürchtet keine Supernova. Baut auf mich. Ich bin Jehova."
  19. Lieber Gummibaum, großartig! Diese Geschichte hatte ich auch auf dem Zettel, habe die dichterische Auseinandersetzung mit ihr aber immer wieder aufgeschoben, weil ich andere biblische Stoffe anziehender fand. Hauptgrund: Ich wusste nie so recht, was ich davon halten sollte, dass Vater Abraham ohne mit der Wimper zu zucken bereit war, auf Gottes Befehl hin seinen Sohn zu schlachten, und dass Isaak sich ebenso unerschrocken hinmetzeln lassen wollte - bevor beide die finale Auflösung kannten. Was uns diese Geschichte eigentlich mitteilen will, hast du mit der Schlusspointe sehr schön erhellt. Die Nachdichtung dieses heiklen Stoffes ist dir in jeder Hinsicht exzellent gelungen. Mittels deiner Verse wird er im wahrsten Sinne des Wortes genießbar. Gruß Cornelius
  20. Hallo Aries, genau diese Frage stelle ich mir auch, und sie wird wohl unbeantwortet bleiben. @Stavanger : Danke für den Hinweis, der Tippfehler ist korrigiert... @gummibaum und @Sidgrani : Freut mich, wenn die Schlussstrophe eure Zustimmung findet. Sie ist meine einzige eigene Zutat (alles Übrige habe ich nur im Detail etwas ausgeschmückt), aber ich zweifle, dass strenggläubige Menschen sie goutieren würden... Bei euch allen möchte ich mich ganz herzlich für die schönen Kommentare bedanken. Ich bin nahezu überwältigt von der Resonanz auf dieses Werk. In meinem Fundus befinden sich noch weitere von biblischen Geschichten angeregte Balladen, die jetzt nach mehrfacher Überarbeitung allmählich die Gestalt angenommen haben, die mir vorschwebte. Wenn mir niemand Einhalt gebietet, werde ich sie hier nach und nach vorlegen. Als nächstes wäre die Sintflut an der Reihe... Grüße Cornelius
  21. Cornelius

    Gerlinde

    Hallo Zorri, die Dame scheint - gerlinde gesagt - recht anspruchsvoll zu sein. Aber vielleicht läuft ihr der Richtige doch noch über den Weg. Gerne gelesen. Gruß Cornelius
  22. I Als das erste Menschenpaar frisch von Gott erschaffen war, durfte es im Garten Eden frei mit seinem Schöpfer reden, wie ein Kind zum Vater spricht, mehr aus Liebe denn aus Pflicht. Auf ein schönes Fleckchen Land, angelegt von seiner Hand und vom Morgentau benetzt, hat ihr Vater sie gesetzt, dazu ihrem jungen Leben einen Ratschlag mitgegeben: "Pflegt nun diesen reichen Garten! Esst von Früchten aller Arten! Nur am Baume der Erkenntnis - dafür bitt ich um Verständnis - dürft ihr nicht das Obst berühren. Keine Macht soll euch verführen! Euer Glück liegt sonst in Scherben und ihr müsstet leider sterben. Was das heißt? Das zu erfahren, davor will ich euch bewahren. Freut euch herzlich nun an allem, was ich schuf, euch zu Gefallen!" II In des Edengartens Mitte, zwischen Sandelholz und Quitte, steht ein Apfelbaum, der fast bricht an seiner Früchte Last. Eva kennt wohl diesen Ort, war schon oft des Mittags dort, denn nicht weit von jener Stelle rieselt eine kühle Quelle, und sie wäre wohl auch heute, da sie sich aufs Baden freute, ohne sträfliches Verlangen an dem Baum vorbeigegangen. Da - im dichten Laub der Mispeln hört sie ein gedämpftes Lispeln: "Sieh doch diese schöne Frucht, dieses Gartens größte Wucht! Schmeckst du ihren süßen Saft, hat dein Denken neue Kraft, wirst du unbestechlich sein. Sei nicht schüchtern! Beiß hinein!" Lautlos gleitet aus den Hecken, reich geziert mit schönen Flecken, eine Teppichpythonschlange, aber Eva wird nicht bange: "Sage mir, wer bist denn du, und was zischst zu mir da zu? Weißt du nicht, dass dieses Obst, das du so verwegen lobst, uns der Vater streng verbot? Ich und Adam wären tot, müssten unser Leben lassen, wagten wir, es anzufassen." "Sterben müsstet ihr mitnichten! Nein - ihr könntet weise richten, lerntet Gut und Böse kennen, dürftet selbst euch göttlich nennen!" Eva kann nicht widerstehen, sich noch einmal umzusehen. Was ist dran an den Gerüchten? Welche Kraft steckt in den Früchten? Wie sie an den Zweigen hängen, sich wie goldne Kugeln drängen! Sollte man nicht doch probieren? Was denn sollte schon passieren? Also wird die Frucht berührt und getrost zum Mund geführt. Schmeckt sie bitter oder fade? Wohnt im Innern eine Made? Nein, sie mundet in der Tat unvergleichlich delikat. Davon muss auch Adam kosten! Schon rennt Eva Richtung Osten. wo ihr Gatte ruht im Grase. Unter die verwöhnte Nase hält sie ihm die süße Scheibe, dass er sie sich einverleibe. Wie die zarte Schale knackt! Plötzlich sehn sie: Sie sind nackt. Bisher war, bei aller Lust, ihnen dieses nicht bewusst, und nun blicken Frau und Mann sich mit großen Augen an. Adam rupft mit rascher Hand provisorisch als Gewand schnell zwei frische Feigenblätter, und er fühlt sich schon als Retter. Doch wie schlägt nun das Gewissen nach dem unerlaubten Bissen ihm und seiner Gattin jetzt! Beide laufen wie gehetzt, als im Wind die Wipfel rauschen, Wolken sich am Himmel bauschen. Zitternd steht das Schilf am See. In die Hecken flieht ein Reh. Tief ins Erdreich kriecht der Wurm. Ihrem Vater scheint der Sturm voller Kraft voraus zu wehen, doch sie wollen ihn nicht sehen. Was nun wird er sie wohl fragen, was nur sollen sie ihm sagen? III Unter Eichen, unter Buchen wollen sie Verstecke suchen. Da bemerken sie verschreckt: Vater hat sie schon entdeckt! Beide stehen starr und stumm ganz verzagt vor ihm herum. "Warum flieht ihr, meine Kinder? Fühlt ihr euch vor mir als Sünder? Und was sollen diese Feigen? Wollt ihr euch denn nicht mehr zeigen, wie ich euch erschaffen habe, wohlgestalt mit jeder Gabe?" Adam senkt die Augenlider, findet seine Sprache wieder: "Ach, wir sind zutiefst erschrocken, als wir plötzlich ohne Socken unser Bild im Teich erblickten, wo wir Lotosblüten knickten..." Noch mehr Worte braucht es nicht, weil ihr Antlitz Bände spricht. Längst schon weiß Jehova Gott alles über dies Komplott, und nur Augenblicke später spricht er zu dem Übeltäter: "Schlange, ich hab wohl durchschaut, wer da steckt in deiner Haut. Ja, du bists, mein Widersacher, mein Verleumder und Verlacher schon von allem Anbeginn, denn ich kenne deinen Sinn. In der bunten Schuppenhülle kamst du in des Gartens Fülle, um die Menschen aufzuspüren und sie listig zu verführen. Dennoch, gräuliches Reptil: Du verfehlst zuletzt dein Ziel. Künftig sollst du Erde kauen, nicht mehr in den Himmel schauen. Doch der Mensch, der heute weint, sei ab jetzt dein größter Feind. Liegst du träge zwischen Halmen, wird er dir das Haupt zermalmen. Dafür wirst du dich erfrechen, in die Ferse ihn zu stechen." Zu dem Menschenpaar gewandt, gibt Jehova nun bekannt: "Ich entlasse euch , ihr Beiden, denn ihr schafftet mir nur Leiden, habt mein einziges Gebot übertreten ohne Not. Darum, ihr verirrten Schafe, wartet nun auf euch die Strafe: Eva, sei nun deinem Mann untertan im Zweigespann. Wächst ein Kind dir unterm Herzen, dann gebärst du unter Schmerzen. Aber Adam - ja, auch du findest nie mehr Rast und Ruh. Disteln soll dein Acker tragen und du sollst dich schwitzend plagen, bis du wieder wirst zu Staub, zu des dunklen Grabes Raub." Als gesprochen dieser Bann, sieht er sie noch einmal an, mustert nun ein wenig milder seine blassen Ebenbilder, schenkt den beiden Biberfelle - und entfernt sich auf der Stelle. Für ihr unbedachtes Handeln lässt er seine Kinder wandeln in ein ungewisses Land, öde, leer und unbekannt. Schweigend über Stein und Dorn richten sie den Schritt nach vorn, wenden keinen Blick zurück auf ihr rasch verwirktes Glück. Beide wurden in die Welt als Erwachsene gestellt, lernten nichts in jüngsten Jahren, weil sie niemals Kinder waren.
  23. Hallo LeMarq, Vergnügliche Verse. Vindet: Cornelius
  24. Hallo Perry, heute entführst du uns mal nicht an die See, sondern in einen Märchenwald voller Fabelwesen. Habe mich gerne entführen lassen, bin aber jetzt tatsächlich froh, wieder in die reale Welt zurückgekehrt zu sein, wo das von unserem Schöpfer ausgetüftelte Programm (einschließlich Sonnenauf- und untergänge, Mondfinsternisse etc.) abläuft. Auch diese Welt ist voller Wunder... Wieder ein schöner Text mit verzauberndem Inhalt. "Handwerklich" gibt es ohnehin kein Wort zu verlieren. Du hast längst deinen eigenen Stil und die dazugehörige Technik gefunden, um Prosalyrik ganz eigener und vermutlich unnachahmlicher Art zu schreiben. Davor ziehe ich immer wieder gerne meinen Hut. Verzauberte Grüße Cornelius
  25. Lieber LeMarq, da musst du dich doch nicht entschuldigen...Kritik ist immer willkommen, wenn sie konstruktiv ist. Deinen Kommentar habe ich als Ausdruck der Beschäftigung mit meinem Gedicht verstanden und mich darüber gefreut, dass du mit so wachem Ohr hineingelauscht hast. Gruß Cornelius
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