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Patrick

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Alle erstellten Inhalte von Patrick

  1. Ein schönes Gedicht, liebe @Wombat99. Ich mag die Leichtigkeit und Ruhe, die deine Verse durchwebt. Nur frage ich mich gerade, wie das Gedicht in freier Form, also ohne Reime wirken würde. Vielleicht noch einen Tick mehr Leichtigkeit?
  2. Bahrenlied Es dämmert, mein Kind, ‘s wird Nacht in der Welt, So dunkel und finster, du wirst es kaum glauben. Wo all das Gebrülle der Blinden und Tauben Die Zahlen der Blauen zum Himmel hoch schrauben - Da ahn’ ich, dass bald schon der Vorhang dir fällt. Zu Bette, mein Kind, 's ist spät, viel zu spät für einen schützenden Kuss auf die Stirn. In unserer Zeit der tückischen Wirr’n, Da handeln so viele ohne Geist, ohne Hirn. So werden deine Träume auf Linie gemäht. Nun schlafe, mein Kind, und schließ’ deine Augen. Ich singe dir säuselnd das Eia popeia. Und wenn überm Kopf auch kreisen die Geier Im Mobile. - Bleib brav in der Heia. Die nahende Nacht, sie kann zu nichts taugen. Verschlafe, mein Kind, diese mondlose Nacht, In der dich die blauen Hyänen verlachen, DIe Würde verschlingen mit gierigem Rachen. Lass sie nur fressen wie hungrige Drachen! Ihr Ende wird kommen - schneller als gedacht. Es ist Nacht, mein Kind, und nun geht’’s zu Ende. Vergiss dein schwarz-rot-goldenes Kleid Und gib dich nicht hin dem nutzlosen Streit. Ja, scheiß’ auf Recht, Freiheit und Einigkeit! Wir werden dich wickeln zur Zeitenwende. Text: Natürliche Intelligenz Musik: Künstliche Intelligenz (Suno) Bahrenlied.mp4
  3. Lieber Wombat, ich finde es eigentümlich, dass du du gerade dein Geld hervor hebst, welches du komplett geben würdest, um die Verflossenen zurück zu bekommen. Als wäre Geld wichtig. Als könnte man Menschen damit beeindrucken. Warum nicht zum Beispiel "all meine Lebenskraft". Das wäre zwar etwas schwülstig. Doch zu sagen, man würde all sein Geld, seinen Wohlstand hergeben, wirkt auf mich sehr unterkühlt. Ich würde keinen Menschen an meiner Seite haben wollen, der sich davon beeindrucken ließe.
  4. Tja, die Leiden des Schreibenden. 🙂 Doch, was spricht dagegen, Texte liegen zu lassen, wenn es einfach nicht fließen will? Und was dafür, Texte dahinzuroten? Bei mir liegen Texte, die seit beinah 3 Jahren unvollendet sind (und vielleicht bleiben). Einen Leidensdruck versprure ich da trotzdem nicht.
  5. Hi Teddybär, düster, düster, dein Gedicht. Ruf doch mal bei einer der folgenden Nummern an: +49 (0)800 111 0 111 +49 (0)800 111 0 222 Am anderen Ende der Leitung sitzen liebe Menschen, die einem gerne zuhören. Alles Gute dir!
  6. Patrick

    Was wäre wenn

    Vielleicht sind wir ja gut genug, liebe Fiona. 🙂 Mit all unseren Schwachen und ausgelassenen Gelegenheiten. Einfach so. Wenn das nicht reicht, dann hilft einfach machen, schauen, welche Realität dadurch entsteht und einen Weg finden, wie man mit ihr umgehen kann.
  7. Hallo DERGROSSE, Die Aussage deines Gedichts gefällt mir. Es weist aber viele handwerkliche Schwachstellen auf. Beschäftige dich trotzdem gern weiter mit dem Thema. Du bist da etwas auf der Spur. 🙂
  8. Liebe @Sternenherz, ich danke dir für deine Worte. 🙂 Ja, das LI ist in einer misslichen Lage - in die es sich aber (vielleicht unwissentlich) selbst gebracht hat. Als ich die Geschichte schrieb, hatte ich einen Mitte 50-jährigen Mann vor Augen, der es im Leben von außen betrachtet zu etwas gebracht hat: ein Haus, eine Familie, einen gut bezahlten Job. Aber keine Ahnung von jenen Menschen um ihn herum, die ihm eigentlich am nächsten sein müssten. Gelebt hat er nur für das Äußere. Seine Ehe ist daran kaputt gegangen. Und wohl auch er selbst. Die Bilder wollte ich möglichst unterkühlt halten, so wie der Winter in ihm und um ihn. Nur an einer Stelle bricht es aus ihm heraus: "Und sie geht einfach! Sie lässt das alles zurück!" Hm, ja, da hast du recht. Das ist mir nach mehreren Überarbeitungsrunden gar nicht mehr aufgefallen. Ich schlafe mal drüber und überlege mir ne bessere Formulierung. @Zorri, @Guenk, @Sternwanderer, @Monolith, habt auch ihr meinen Dank füreure positiven Reaktionen. 🙂
  9. Die Vermessung der Einsamkeit Ein Haus steht zum Verkauf, irgendwo auf dem Land. Es ist alt, verwaist, die Wände verroht und nackt, hier und da ein Riss im Putz. Darin kein Leben mehr. Nur noch eines: seines. Kalt ist es in den letzten Wochen geworden. - Er hat sich Zeit gelassen mit dem Auszug. Mal nahm er den Wäscheständer mit, mal nur ein paar Kleiderbügel. Schließlich, nach einiger Überwindung, all die großen Kartons, bis das Haus leer war. Oder leer genug. Nun ist es Winter. Heute hat ein Transportdienst die letzten Möbel abgeholt. Ihn haben sie zurückgelassen. Er wäre auch gar nicht transportierbar gewesen. Er mit all seinen schweren Gedanken. Die Abdrücke der Möbel im Parkett, die Verfärbungen an den Wänden, wo Bilder und Schränke standen, alles haben sie zurückgelassen. Auch die Matratze ihres einstigen Ehebetts ist geblieben. Die hat er vor dem Abtransport bewahrt. Nur eine Nacht noch will er hier schlafen. Dann wird auch er verschwinden. —-------------- Als seine jüngere Tochter aus- und weggezogen ist, um in einem anderen Teil des Landes zu studieren, ist seine Frau gleich mit ausgezogen. Seither ist das Haus unbewohnbar. Sie war der gute Geist dieses Hauses, die verbindende Kraft, die allen Bewohnern und Gegenständen darin ihren Platz und ihren Sinn gab. Doch sie hat ihre Kraft, ihren Zauber in all den Jahren verloren. All die Jahre wartete sie stoisch auf ihn, wenn er abends noch ein paar Stunden länger im Büro blieb oder tagelang auf Dienstreise war. Da war dieses dauernde Hoffen auf ein Zeichen von ihm, dass sich ihr Warten lohnt. Es blieb unerfüllt. Das offenbarte sie ihm zum Abschied. Und er hat all die Jahre nichts davon bemerkt. Er erinnert sich daran, wie sie diese Worte sprach, ruhig, fast gefasst. Er kann ja gut rechnen, doch damit hat er nicht gerechnet. „Blöder Spruch“, denkt er, „aber passend.“ – Eine Küche, eine nagelneue Küche hat er ihr eingebaut, als Willkommensgeschenk für den Start in ein neues Leben ohne Kinder im Haus. Alles selbst abgemessen, zugeschnitten und auf den Millimeter genau eingerichtet – und sie geht einfach! Sie lässt das alles zurück, ihre gemeinsame Sicherheit, ihren Traum vom Altwerden im eigenen Haus! – Nein, damit hat er nicht gerechnet. Er geht durchs Haus, lässt den Blick und seine Gedanken durch jeden Raum schweifen. Überall, in jeder Ecke, jedem Winkel klaffen Erinnerungen an die guten Tage, die sie hier gemeinsam mit den beiden Kindern verbracht haben. Hier, in dem toten Winkel vor dem Schlafzimmer haben die Mädchen ihre Spielecke eingerichtet. Und da, da stand das große Puppenhaus. Selbst von ihm gezimmert, die Puppen eigenhändig gedreht. Und dort stand ihr Einkaufsladen. Und auf dem großen, grünen Teppich standen ihre Kinderbetten. Und die Wände umher hingen voll mit den Fotos, die sie als Familie an glücklichen Tagen zeigten. Da, an der sattblauen Stelle der sonst ausgeblichenen Wand hing ein großes Foto, das die Familie am Strand Teneriffas zeigte. Die Mädchen hatten sich auf dem heißen Sand so böse die Füße verbrannt, dass sie sogar ins Krankenhaus fahren mussten. Er schmunzelt. Ihm wird es warm, als er an seine Töchter denkt. An die vielen kleinen und großen Erfolge, an ihre Allüren und an die Kämpfe, die seine Mädels untereinander führten. Seine Töchter kann er in Gedanken in jedem beliebigen Alter aufrufen. Doch an seine Frau hat er kaum Erinnerungen. Sie war halt da, so wie das Inventar des Hauses. Sie hat sich um die Mädchen gekümmert, das Haus in Stand gehalten und für die Familie gekocht. Zärtlichkeit zwischen ihnen gab es schon lange nicht mehr. Aber es war okay für ihn. Er hat gehört, dass das in langen Ehen eben so ist. Schließlich fand er sich damit ab. Alles andere funktionierte ja. —-------------- Zurück im Wohnzimmer legt er sich auf die Matratze, deckt sich mit einer Wolldecke zu, starrt an die Decke. Sein Atem bildet kleine Wolken, die sich unter der Decke sammeln. – Gleich werden sie sich bestimmt zu einem Regenguss ergießen, denkt er. - Kein Geräusch im Haus. Er fühlt sich einsam. Diese Einsamkeit steckt fest in den leeren Bierflaschen, die er der Reihe nach um die Matratze aufstellt. Sie klafft grinsend aus jeder Ecke des Raumes. Sie hat sich in ihre Kuhle verbissen, die sie auf der Matratze zurückließ. Das Telefon klingelt. Langsam greift er danach, hebt ab. „Papa? … Möchtest du mich besuchen kommen?“ Die Stimme seiner Tochter ist vorsichtig, fast flüsternd. Als hätte sie Angst, ihn aus einem Traum aufzuschrecken. Für einen Moment presst er die Lippen zusammen, als müsse er die Worte durch einen schmalen Spalt zwischen seinen Gedanken hindurchschieben. Dann bricht seine Stimme die Stille, antwortet brüchig: „Ja… Ja, ich komme.“ Es ist Zeit zu gehen.
  10. Wow, Federtanz. Einfach nur wow... Wie nähert man sich einem solchen Text... Jeder Vers lädt zum Sinnieren, zum Auslegen ein. Wie ich dein Gedicht las, hatte ich Hieronymus Boschs "Das Weltgericht" vor Augen. Beides schwer vergleichbar, doch auch dein Gedicht rechnet schonungslos mit der uns umgebenden Realität ab. Es ist eine tiefgründige Reflexion über die Pole Fremdheit und Zugehörigkeit in dieser zerrissenen Welt. Es macht mich nachdenklich, wie ich in dieser Welt verortet bin. Und die Frage nehme ich mit: „Kennen wir uns?“
  11. Ein guter Anfang, lieber Austin. Doch wo sind die anderen Verse geblieben? Da fehlt mir etwas, um Bedeutung zu entfalten. Schreibe gern weiter an diesem Text. Daraus kann noch etwas werden. 🙂
  12. Hallo! Ein Loblied auf den Jazz!! Ich mag es, wie leidenschaftlich du von diesem Stil schreibst. Ich frage mich gerade, ob man dem Gedicht eine Art Jazz-Rhythmus verleihen kann... Müsste man mal experimentieren...
  13. Patrick

    Zusammnen

    Zusammen Wir sind viele. Verschieden in Herkunft, Gedanken, Leben. Doch eins bleibt gleich: Nur gemeinsam sind wir stark. Mauern aus Angst, gebaut aus Vorurteilen und Gier – wir reißen sie ein, Stein für Stein, Hand in Hand. Nicht Haut, nicht Geld, nicht Geschlecht trennt uns wirklich, sondern nur das Schweigen. Lasst uns sprechen. Lasst uns handeln. Zusammenstehen heißt, nicht wegzusehen. Zusammengehen heißt, einander Halt zu geben. Die Zukunft braucht uns – alle.
  14. Lieber @Werkstaedter, ich danke dir für deine Worte. Ja, Rühmkorfs Text (ich habe ihn gerade erstmals gelesen und kann deine Begeisterung dafür teilen) ist kein Text, den ich ohne Weiteres schreiben könnte - und in diesem Fall auch nicht wollte. Ich möchte mein Gedicht gern als eine Art Kampflied verstanden wissen. Es sollte eingängig und leicht verständlich sein; also keine poetisch-reflektierte Haltung zum Begriff der Zuversicht einnehmen. Allgemeinplätze wie "mit dem Rücken an der Wand" zahlen darauf ein. Ich befasse mich regelmäßig mit der Haltung zu der uns umgebenden Realität (siehe z. B. mein Gedicht "Die Klimakleber"). An diesem Text werde ich also nicht weiterarbeiten. Er ist nur einer von einigen, mit denen ich in die gleiche Richtung gehe. Nichtsdestotrotz: Danke für deine Gedanken zu meinem Text.
  15. Patrick

    Zuversicht

    Zuversicht Zwar leben wir in dunklen Zeiten, mit dem Rücken an der Wand. Doch wir, vereint, wir wollen streiten für uns’re Zukunft, unser Land. Die Erde bebt, die Flüsse steigen, die Sonne brennt auf Flur und Feld. Doch wir, wir werden niemals schweigen, wenn Menschen leiden auf der Welt. Es trennt uns vieles, oft im Stillen, zu laut, zu leise, reich und arm. Doch wir vereinen uns’ren Willen, denn Gleichheit hält uns alle warm. Parolen sind in aller Munde. Verderben bringt ihr schriller Krach. Doch Zuversicht schlägt nun die Stunde, sie hält uns fokussiert und wach. Wir bauen Brücken, wo einst Mauern, und säen Mut in schwerer Zeit. Denn wir, wir können überdauern, wenn wir vereint geh’n, Seit’ an Seit’.
  16. Patrick

    Diskriminierung

    Hallo! Es geht noch subtiler (und nicht minder gehässig): schon 2x habe ich Toiletten gefunden, die für Frauen UND Behinderte sind; letztere in einem Neubau. Da fragt man sich, warum da nicht gleich drei Toiletten geplant wurden...
  17. Liebe Kerstin, dein Gedicht ist ein tief emotionales Werk, das Einsamkeit, Schmerz und die innere Zerrissenheit eindringlich beschreibt. Die Bilder von Dunkelheit, Wunden und einer symbolträchtigen, wohl durchzechten Nacht unterstreichen sehr gut die Schwere der Gefühle und die Verlorenheit des lyrischen Ichs. Bei düsteren Texten frage ich mich oft: Wo ist das Licht, die Aussicht, der Hoffnungsschimmer. In deinem Gedicht finde ich davon nichts, was mich etwas befangen zurücklässt. Nichtsdestotrotz habe ich deinen Text gern gelesen.
  18. Hallo! Ach schön, es holpert zwar an manches Stellen des Gedichts ganz schön. Doch ich konnte dennoch ganz schön schmunzeln. Hab's gern gelesen. 🙂
  19. Patrick

    Wandel

    Lieber Gummibaum, dir ist da ein ganz wunderbares Gedich voller melancholischer Reflexion über Liebe, Verlust und die innerer Distanz gelungen. Ich ma den Zwiespalt vor dem das LyrI steht: Die Erinnerung an die Erfüllung durch die einst empfundene Liebe und die nüchtern gewordene Einsicht, dass es nicht mehr lieben kann und lieber Abstand denn Nähe sucht. Du nutzt starke, für mich bisher unbekannte Bilder in deinem Gedicht. Des "Herzens Morgentau" ist mir neu und gefällt mir gut. Mit der "Wüste grobes Kleid" habe ich aber meine Probleme, denn "Kleid" will für mich nicht so rechtt zu "Wüste" passen. Ich verbinde mit "Wüste" eher so etwas wie Sand Sturm, Fata Morgana und dergleichen. Hast du da schon einmal über Alternativen nachgedacht?
  20. Ach, umstimmen wollte ich dich gar nicht, liebe @Darkjuls. Ich möchte nur eben auch einen Vorschlag machen, wenn ich etwas kritisiere. Kritik allein, finde ich, taugt nichts. Deiner Sichtweise stimme ich aber zu. Einen Text zu lesen, ihn wahrzunehmen, hat auch vieles mit einem selbst zu tun.
  21. Ich mag dein Gedicht, liebe @Darkjuls. Es ist eine wunderschöne Hommage an die Jahreszeiten als Metapher für die Facetten eines geliebten Menschen. Die tiefe Zuneigung zum geliebten Menschen, transportiert über die Naturbilder und ihren charakteristischen Eigenschaften ist ein schöner Kunstgriff. Zum Lob noch ein paar Anmerkungen: Das finde ich nicht so gelungen. Mit "Frühling" haben diese Verse wenig zu tun. Da geht mehr. Vielleicht so: "Du streust Blüten in den Wind/ Der von dir leise singt. Hmmm, die raue Schale kommt ein wenig aus dem Nichts. Wenn du da an eine ganz bestimmte Person gedacht hast, an die du dich mit diesem Gedicht wendest, dann kann das passen. Doch allgemeingültig betrachtet, findet dieser Vers keinen Anhaltspunkt im übrigen Gedicht. Mein Vorschlag für die letzten beiden Verse: "Der Sturm in mir zeigt: /Dich zu lieben braucht Mut." Na, für mehr reicht's gerade nicht bei mir. 🙂
  22. Patrick

    Der Weihnachtsbraten

    Man fragt sich bisweilen, warum so viele Menschen so kurz vor Weihnachten in die Einkaufsläden strömen. Nun, schwere Zeiten stehen uns bevor: Zweieinhalb Tage werden alle Märkte geschlossen sein. Zweieinhalb Tage, an denen nicht der leckere Pudding, die knusprigen Chips und - ein Grundnahrungsmittel! - die Instant-Suppe im Markt gejagt und an der Kasse zur Strecke gebracht werden kann. Eine Zeit, die das Tier in uns Menschen weckt. So auch in mir, den es samt Kind im Schlepptau in die Unterwelten der Arkaden zog. Die Urahnen des heute handelsüblichen Einkaufswagens sind die sumerischen Streitwagen aus der Bronzezeit. Man sieht ihm noch immer seine kriegerische Provenienz an, besonders am Tag vor Heiligabend. Majestätische 100 Kilogramm Stahldraht thronen auf vier präzise steuerbare Castor-Rollen, die das Kriegsgefährt in alle Richtungen ausschlagen lassen kann. Sogar einen Fahrersitz haben diese Ungetüme, für die Schrecklichsten aller Krieger der Weihnachtszeit: Kinder. Sie sind die eigentlichen Lenker ihrer Schubtiere, uns Eltern. Sie bestimmen mit ihrem Kriegsgebell, welche Gänge angesteuert werden sollen. Diese kleinen Schreihälse treiben uns Verzweifelte durch die Gänge, mit ihrem Verlangen nach noch mehr knallbuntschillerndem Tinnef. Eine Frau schob sich schweißgebadet an mir vorbei, ihr Wagen randvoll mit Spielzeug. An diesem Ort muss ein epischer Kampf um die letzte Packung Knete geschehen sein. Ihre Augen waren glasig, wie die einer Kriegerin, die zu lange an der Front gekämpft hatte. Ich war erschrocken von ihrem Anblick und wendete mich meinem Sohn zu. “Morgen ist Bescherung!”, knurrte ich den Knirps vor mir beinahe drohend an, auf dass er gar nicht erst auf die Idee kommt, uns in die Schlacht um das letzte Spielzeug zu stürzen.Es wirkte. So überließ ich den anderen Wagenlenkern das Feld. Ich spähte über ihre Reihen hinweg, suchte den Weg zu den begehrtesten meiner Ziele: Lebkuchen, Schoko-Nüsse und natürlich die legendären Marzipankartoffeln. Der Knirps vor mir war mit meinem neuen Ziel einverstanden und trieb uns mit tönenden Fanfaren - genau genommen: seiner quietschende Spielzeugtrompete - in Gang fünf, der Heimat der Weihnachtskekse, wo sich bereits ein erbittertes Scharmützel anbahnte. Zwei Kontrahenten hatten gleichzeitig nach der letzten Packung Zimtsterne gegriffen. Die Frau links zischte: „Ich hab sie zuerst gesehen!“ Der Mann rechts hielt dagegen: „Meine Tochter hat morgen Geburtstag!“ Ich duckte mich instinktiv, als die erste Packung Dominosteine als Wurfgeschoss durch die Luft flog. „Bleib ruhig“, sagte ich mir selbst. „Du bist nicht hier, um den Held zu spielen.“ So zog ich weiter zur Fleischtheke. Doch schlimm stand es um sie. Die Bestände leerten sich. Nur noch wenige Braten waren in der Auslage, und ringsherum ein Getümmel aus Wagenlenkern auf der Jagd nach dem letzten Stück Fleisch. In ihrer Mitte lag es, verheißungsvoll auf seinem Podest, bewacht von Harry, dem Metzger mit entschlossener Miene. Es wurde geschubst und gegrölt, ein Geruch von Zimt und Verzweiflung machte sich breit. Zimtgeruch, dachte ich, toller Trick der Marktleitung, um uns Verzweifelte noch mehr kaufen zu lassen. Hier wird nur noch nach Bestellung bedient. Denn vor der Erfüllung des eigenen Begehrs hat der liebe Gott (und der Metzger) ein perfides Nummernsystem gesetzt. Bedient wird, dessen Nummer aufgerufen wird. „Nummer 57!“ rief er, und ich sah, wie ein Mann seine Marke triumphierend hochhielt. “Hier, ich! Haha”, lachte er, sein Glück kaum fassend, wie von Sinnen auf. Der Rest der wartenden Menge stand, wieder einer Hoffnung beraubt, weiterhin wie ein lauerndes Rudel Wölfe um die Theke. Meine Nummer war die 59. Wer nun denkt, dass es sich um ein konsekutives Nummernsystem handelt, hat weit gefehlt. Mit den Nummern wurden die Teile des Tieres benannt, die zum Verkauf standen. Bedient wurde zuerst derjenige, dessen Fleischportion zuerst aufbereitet wurde. Meine Nummer stand auf einer Schweinelende. Als sie schließlich meine Nummer aufgerufen wurde, passierte das Undenkbare: Eine ältere Dame schob sich an ihrem Rollator geklammert ohne Nummer durch die Meute und deutete mit zitterndem Finger auf ein Stück Fleisch in der Auslage. „Das da, bitte“, sagte sie lächelnd, mit der Unschuld eines Engels. Ein Aufschrei ging durch die Menge. „Das ist Meins!“ rief jemand (nicht ich). “Ey, geht’s noch?! Ich warte hier schon seit einer Stunde!” grölte es von der einen Seite. „Regeln sind Regeln!“ brüllte es von der anderen Flanke. Und ihrer Mitte die trullige alte Dame, die mangels Hörgerät von alledem nichts vernahm und nur blauäugig das Fleisch vor ihr beäugte. Der Metzger überraschte schließlich mit einer bemerkenswert diplomatischen Lösung: „Wer kann am schönsten singen?” Schweigen griff sich Raum. “Die Dame bekommt ihr Fleisch. Doch wer von euch Lümmeln am schönsten trällert, der bekommt aus meinem privaten Vorrat noch ‘n Stück. Ick bewerte eure Vorträge!“, schob er uns mit einem vielsagenden Blick über die Theke. Und so erschallten die Gesänge! “Stille Nacht”, wurde angestimmt, teils von “O Tannenbaum” überlagert. kakophonisch, ohne Takt und Tempo, schief und doch irgendwie schön. Ich beteiligte mich nicht an diesem Tenor. Stattdessen stimmte ich Heinz Erhards “Die Weihnachtsgans” auf der Melodie von “Süßer die Glocken nie klingen” an. Und was soll ich sagen? Ich gewann den Sängerwettstreit! Erschöpft, aber glücklich zog ich mit meiner Kriegsbeute, einer fetten Gans, davon. Mein Einkaufswagen war schwer beladen, meine Nerven dünn wie Lametta. An der Kasse schob sich ein letzter Gegner vor mich: ein Mann mit einem Wagen voll Klopapier. Doch ich ließ ihn gewähren. Schließlich steigen die Corona-Zahlen wieder. Respekt dem, der vorsorgt. Als ich schließlich hinaus in die kalte Dezembernacht trat, konnte ich nicht anders, als laut zu lachen und zu jubilieren. Der Sieg war mein! Der Knirps vor mir ließ mich gewähren und war ganz vertieft in seine Zuckerschnecke. Doch wem diesen Sieg widmen? Der Familie, vielleicht. Jenen Menschen also, die man sich zum großen Teil nicht ausgesucht hat… Und die bekommen meine schöne Gans? Meinen Schatz? Was tut man nicht alles um des Friedens willen. Es bleibt einem auch nichts erspart. Na, hilft ja nichts. Frohe Weihnachten!
  23. Ach, schön, liebe Kerstin. 🙂 Etwas verklärt, denn für viel zu viele Menschen hat die Weihnachtszeit nicht viel zu bieten. Weder in Deutschland, noch anderswo. Und doch tut es mir gut, sich dieser Verklärung nur für einige wenige Tage hinzugeben. Ein schöner Text. Vielen Dank dafür!
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