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Hera Klit

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Alle erstellten Inhalte von Hera Klit

  1. Hera Klit

    Schuld 

    Vielen Dank, liebe Ilona. Liebe Grüße Hera
  2. Hera Klit

    Schuld 

    Vielen Dank, lieber JoVo. Liebe Grüße Hera Vielen Dank, lieber Carlos. Liebe Grüße Hera
  3. Hera Klit

    Schuld 

    Schuld Und dann erfuhr ich von meiner Mutter, dass Rainer an Multipler Sklerose erkrankt sei. Sofort begrub ich meine alten Aversionen gegen ihn, die sich früher nicht selten zum blanken Hass hinaufgesteigert hatten. Ich konnte und durfte einen Kranken nicht verachten und ablehnen. Ich hatte ihn jetzt seit fast dreißig Jahren nicht mehr gesehen und er hatte mir auch gar nicht gefehlt. Kaum ein Mensch war mir je im Leben so auf die Nerven gegangen wie Rainer, aber er litt nun an einer Krankheit, deren Schrecken und Heimtücke ich genau kannte, weil auch meine liebe Schwester ein Opfer der gleichen Krankheit geworden war. Ihren stetigen Verfall über die letzten Jahrzehnte miterleben zu müssen war schrecklich gewesen. Es waren doch auch schon lange zurückliegende Ereignisse, die mich Rainer hatten hassen lassen und die meine Schuldgefühle ihm gegenüber begründeten. Wir kannten uns seit der Kindergartenzeit, aber ich nahm ihn erst richtig zur Notiz, als wir zusammen in die weiterführende Schule in der Kreisstadt aufgenommen wurden. Wir waren nur drei Jungs in diesem Jahrgang aus unsrem Dorf. Hans-Peter, Rainer und ich. Das Schicksal führte uns zusammen. Wir mussten miteinander auskommen, ob wir wollten oder nicht, hatten wir doch den gleichen Schulweg und die gleichen Unterrichtsstunden. Von nun an traf man uns fast nur zu dritt an, auch nachmittags beim Spielen. Eine richtige kleine Schicksalsgemeinschaft war entstanden. Nun ist die Drei aber in Beziehungsangelegenheiten eine recht unglückliche Zahl. Schulbänke, Ausflugsbusse und Stockbetten in Jugendherbergen etc. waren im Dualen System verhaftet. Es konnten nur immer zwei Freunde eng zusammensitzen oder übereinander nächtigen. Für einen dritten Freund war die Welt damals nicht geschaffen. Wie es heute ist, entzieht sich meiner Kenntnis, weil die besagte Welt mir seit Langem verschlossen ist. Ich befürchte mal, es hat sich nichts geändert. Damals ging natürlich permanent das Gerangel los, weil sowohl Rainer als auch ich unbedingt neben dem Hans-Peter, den wir beide supersympathisch fanden, sitzen wollten. Oft, für meine Begriffe viel zu oft, wurde ich von Rainer verdrängt und musste abseits sitzen oder liegen. Das war hart. Ich konnte nicht glauben, dass Rainer neben Hans-Peter sitzen durfte, weil Hans-Peter ihn evtl. lieber hatte als mich. Dies konnte und wollte ich nicht als Grund anerkennen. Das wäre zu viel für mich gewesen. Ich war überzeugt, dass Hans-Peter den drängelnden und aufdringlichen Rainer nur aus Höflichkeit neben sich ertrug und eigentlich lieber neben mir gesessen hätte. Wenn wir nachmittags zusammen spielten, ergaben sich immer wieder Szenen, in denen sowohl Rainer als auch ich, den eher passiven, zurückhaltenden Hans-Peter durch unsere Geschicklichkeit, Schlauheit, Ausdauer und was auch immer Jungs in dem Alter als wichtige Eigenschaft erscheint, beeindrucken wollten. Fast war es, als würden zwei Jungs um ein Mädchen werben. Einmal spielten Rainer und ich Fußball auf dem Hof von Hans-Peters Elternhaus und wir versuchten uns gegenseitig den Ball abzuluchsen. Wir wollten beide eine gute Figur vor Hans-Peter machen und die Verbissenheit war groß. Davon konnte doch abhängen, wer im nächsten Schuljahr neben Hans-Peter sitzen durfte. Das hieß nichts weniger als ein freudiges Jahr in Seligkeit an der Seite des geliebten Freundes zu verbringen oder abgeschlagen neben irgendeinem unbekannten Unsympath ein ganzes Schuljahr dahin fristen zu müssen. Deswegen legten wir in diese Fußballszene sehr viel Vehemenz und Willen zum Sieg. Plötzlich, wir rannten eng gedrängt Schulter an Schulter, um den bescheuerten Widersacher vom Ball wegzudrängen, da gingen unsere beiden Schussfüße nach vorn und erwischten den Ball gleichzeitig so unglücklich, dass er einen Blumentopf von einer Außenfensterbank herunterholte. Der Topf zerschellte auf dem Boden und sofort bezichtigten sich Rainer und ich gegenseitig den Topf heruntergeschossen zu haben. Keiner von uns wollte freilich der Schuldige sein. Wie hätten wir denn bei Hans-Peter dagestanden? Womöglich hing nun von dieser einzigen Szene ab, ob man die nächsten Jahre neben Hans-Peter die Schulbank drücken durfte und ob man im Ausflugsbus neben ihm sitzen durfte und sogar, ob man mit ihm ein Stockbett teilen durfte. Also es hing von dieser ungeklärten Schuldfrage unheimlich viel ab. Die gesamte Möglichkeit zum Glück der nächsten Jahre mindestens. Natürlich beschuldigten Rainer und ich uns gegenseitig mutwillig den Blumentopf von der Fensterbank gefegt zu haben. Wir konnten uns einfach nicht einigen. Langsam wurde uns beiden klar, nur Hans-Peter, der ja alles beobachtet hatte, war in der Lage zu beurteilen, wer von uns beiden sich schuldhaft verhalten hatte, und so wendetet wir uns schließlich wie auf ein Kommando mit fragenden Gesichtern zu diesem um und erwarteten sein Urteil höchst gespannt. Hans-Peter sagte lange nichts, aber ich war der Meinung, schon am Mienenspiel seines Gesichtes erraten zu können, er gäbe mir die Schuld und ich sei somit der Verdammte und Abgesonderte der nächsten Jahre. Da brannten mir leider die Sicherungen durch und ich sprang Rainer von der Seite an und packte ihn und nahm ihn in den Schwitzkasten. Irgendwie schien ich davon überzeugt, diese dumme Tat könne mir bei Hans-Peter einen Vorteil verschaffen, wo doch vernünftigerweise abzusehen war, dass genau das Gegenteil der Fall sein würde. Aber ich drückte zu und Rainer sackte zusammen und ich drückte fester zu, denn ich hasste ja kaum einen Menschen mehr als Rainer, der mir die letzten Jahre schon so viele Niederlagen beigebracht hatte und immer wieder mehr in der Gunst von Hans-Peter stand als ich. All diese aufgetaute Wut und die Verzweiflung darüber nun auch wieder den Kürzeren zu ziehen, verlieh mir Löwenkräfte und machte mein Herz völlig mitleidlos dem armen Rainer gegenüber. Ich trieb es so weit, dass Hans-Peter rettend eingreifen musste und den inzwischen schon leicht bläulich angelaufen Rainer fast in letzter Sekunde noch rettete. Unter dieser Szene litt ich mein gesamtes weiteres Leben, und obwohl Hans-Peter und auch Rainer in meinem späteren Leben quasi nicht mehr vorkamen, dachte ich oft daran zurück und fühlte mich dann miserabel. Wie hatte ich so die Nerven verlieren können? Natürlich saß ich die nächsten Jahre nie mehr neben Hans-Peter, diese Gunst wurde mir nie mehr gewährt, war ich doch ein potenzieller Mörder, den man nicht neben sich dulden will und kann. Und nun erzählte mir meine Mutter Rainer sei an MS erkrankt und für mich wurde freilich schlagartig klar, dies könne mit meiner damaligen Schandtat zusammenhängen. Vielleicht war das durch den intensiven Schwitzkasten, in den ich ihn damals nahm, ausgelöst worden. Ich betete, der Herr möge mir verzeihen und vergaß die Sache vorerst wieder. Ganz sicher erwiesen war ja meine Schuld auch nicht, vielleicht war ich ja auch nur überspannt. So geriet Rainer wieder in Vergessenheit, bis zu dem Tag, als ich Mutter zum Einkaufen in meiner Heimatstadt begleitete. Schon beim Reingehen erkannte ich Rainer. Er schob einen Einkaufswagen und er hinkte leicht beim Gehen, obwohl er ansonsten eigentlich recht gesund wirkte. Seine neue rumänische Partnerin, von der ich gehört hatte, sie versorge ihn liebevoll, folgte ihm in gebührendem Abstand. Wie das so ist, wenn man jemandem gerne aus dem Weg gehen möchte, trafen wir uns an mehrere Stellen im Markt ständig wieder, aber weder Rainer noch ich ließen uns anmerken, einander zu kennen. Ich bereitete mich innerlich darauf vor, mit ihm ins Gespräch zu kommen und ich überlegte hin und her, was ich sagen sollte und wie ich mich am besten geben würde, um dem Kranken den gebührenden Respekt entgegenzubringen und gleichzeitig eine für meine damalige Schandtat um Verzeihung bittende Haltung und Ausstrahlung anzunehmen. Es schien mir unbedingt nötig, sanft und liebevoll wirken zu müssen, so als sei ich nie und nimmer mehr in der Lage und fähig ihm gegenüber auch nur den geringsten Anflug von Aggression in mir zu hegen. Ich war ja auch durch die jahrzehntelangen Schuldgefühle geläutert und fühlte mich dadurch würdig genug, mit ihm wieder in Kontakt treten zu dürfen. Mutters Einkäufe waren fast erledigt und wir orientierten uns schon zur Kasse und zum Ausgang hin. Es schien, als ginge der Kelch noch mal an mir vorüber. Fast bedauerte ich es etwas nicht die Chance zu bekommen, mit Rainer endlich reinen Tisch machen zu können. Da bog Rainer in unseren Regalgang ein. Es war ein sehr langer Gang und Rainer kam vom ganz anderen Ende leicht hinkend seinen Wagen schiebend auf mich zu. Zunächst wollte ich mich abwenden und so tun, als suche ich ganz geschäftig irgendetwas Besonderes im Regal. Aber dann beschloss ich der Sache ins Auge zu sehen und wandte mich um und blickte dem heranschlurfenden Rainer offen und ehrlich ins Gesicht. Dieser allerdings hatte seinen Kopf majestätisch gehoben und blickte schräg nach oben, gar nicht zu mir herunter. Sein Blick traf mich nicht, aber sein ganzer Gesichtsausdruck schien lächelndes Desinteresse auszudrücken. Als er so den endlos langen Gang herankam und schließlich wie in Zeitlupe an mir, dem völlig Unbeachteten vorbeizog, verlieh ihm die Aura der unheilbaren Krankheit eine Ausstrahlung der Weltüberwundenheit, wie ich sie zuletzt nur bei dem Dalai Lama gesehen hatte. Seine Frau, die ihm in gebührendem Abstand folgte, kam mir vor wie ein nachschreitender Engel, der seine unsichtbare Schleppe trägt. Als die ganze Erscheinung vorüber war, wusste ich, ich würde meine Schuld auch weiterhin alleine tragen müssen.
  4. Liebe Ilona, ich denke jeder Mensch will und sollte freundlich und liebevoll und zuvorkommend behandelt werden, das reicht. Ideologien brauchen dann nicht mehr beigemengt zu werden. Liebe Grüße Hera
  5. Also, christlich ist ein recht schwammiger Begriff, wenn es um Menschlichkeit geht, liebe Ilona, wenn man bedenkt, dass es z. B. auch Christen waren, die einst zu Kreuzzügen aufbrachen oder Christen waren es, die die Katharer ausrotteten und Hitlers Waffen segneten etc. pp.. Vielleicht bräuchten wir mal generell neue, unbefleckte Werte, die eine reine Menschlichkeit zum Inhalt haben, ohne die Spaltungstendenzen religiöser Konstrukte? Liebe Grüße Hera
  6. Hera Klit

    Liebe im Freien

    Ja, lieber Carlos, die Liebe ist wichtig. Im Rückblick und in der Vorausschau hilft sie über vieles hinweg. Liebe Grüße Hera
  7. Hera Klit

    Feuerbaum

    Hallo, liebe Donna, ein schönes Gedicht, schön illustriert und prima gesprochen. Liebe Grüße Hera
  8. Vielen Dank, lieber Carlos, diesen literarischen Kunstgriff habe ich von dir gelernt. Liebe Grüße Hera
  9. Vielen Dank, lieber Herbert. Die Hoffnung ist auch deswegen sinnlos, weil sie nicht mehr auf Erden weilt. Liebe Grüße Hera
  10. Hera Klit

    Wo immer du jetzt bist

    Wo immer du jetzt bist Und dann ging ich den Flur runter und da war auch schon dein Zimmer. Die Tür stand offen und es herrschte eine rechte Unordnung. Ich musste schmunzeln. Frauen sind, wenn sie alleine wohnen, oft unordentlicher als Männer, die alleine wohnen. Das haben mir schon viele Leute bestätigt. Ich höre dich im Bad riestern. Da sind verschiedene Salate auf deinem Sofa und dem Tisch, welche auch zudem von allerlei Krimskrams überhäuft sind, verschüttet. Ich erkenne speziell Reissalat mit Erbsen. Aus einer halb vollen Plastikschüssel nehme ich einen Mund voll von dem leckeren Reissalat und verschütte dabei unglücklicherweise auch etwas davon auf dem Sofa. Ich bekomme ein schlechtes Gewissen und will mit der Handkante den ganzen Salat in die Plastikschüssel streifen. Sicher warst du auf einer Party und man hat dir Reste mitgegeben. Allein lebende Frauen sind ja oft auf Partys eingeladen. Bevor wir uns kennenlernten, warst du auch praktisch täglich auf Partys. Zu meinem Leidwesen hattest du mir diese Phase deines bewegten Lebens genau geschildert. Du beschriebst mir sogar die Typen, mit denen du was anfingst, genauestens. Auch ihre Anatomie unter der Gürtellinie und die von ihnen gewünschten abstrusen Praktiken, die ich gar nicht kannte, die du aber nicht immer mitmachen wolltest. Ich behielt diese Bilder immer im Kopf, während unserer ganzen Beziehung und darüber hinaus. Das machte mich schwer, all die Jahre und es belastet mich noch heute. Diese Art Wissen macht einen Mann ganz kirre, besonders in seinen schwachen Momenten. Klar hattest du auch Typen, die es nicht gebracht haben, Versager eben, an denen konnte ich mich immer wieder mal notdürftig aufrichten, aber die ausgefuchsten, potenten Liebhaber mit ihren ausgefeilten Liebestechniken überwogen leider bei Weitem. Ich will dich trotz allem zurückhaben. Ohne dich kann ich mich nicht mehr denken. Du hast mich vollkommen am Wickel, ich werde es dir endlich gestehen müssen, das ist meine einzige Chance. Ich kann nicht mehr den harten Hund raushängen lassen, das zieht bei dir nicht mehr. Endlich kommst du aus dem Bad heraus. Seltsamerweise hast du eine Gitarre in der Hand. Spielst du jetzt Gitarre? Ich war und bin doch der Gitarrenspieler, du hast doch nie Gitarre gespielt. Ich hege etwas Hoffnung, dass du nun Gitarre spielst, weil die Sehnsucht nach mir dich dazu treibt. Dein Blick zeigt Erstaunen und eine Spur Ablehnung, aber auch einen Hauch von Interesse an mir ist beigemischt, sodass ich mir sofort wieder riesige Hoffnungen mache. Jetzt der richtige Spruch, der dich zum Lachen bringt, wie damals in der Diskothek, als wir uns kennenlernten und ich habe dich wieder. Das fühle ich ganz genau und deswegen sage ich: „Spielst du jetzt auf dem Klo Gitarre, wie ich es immer tat? Na, einer muss es ja machen.“ Der Spruch sitzt, du lächelst. Zwar noch etwas gequält, aber es ist erkennbar ein Lächeln auf deinem merklich blassen Gesicht. Da werde ich ganz mutig, mache einen raumgreifenden Schritt auf dich zu und presse meine Lippen auf deine. Du öffnest sie sogar und wir küssen mit Zunge. Mit so einem Entgegenkommen hatte ich weiß Gott noch nicht gewagt zu rechnen. Da riskiere ich einmal was und werde auch schon gleich dermaßen belohnt. Jetzt weiß ich, dass ich dich wieder habe. Ich bin wehmütig glücklich. Warum diese Wehmut? Ich sollte doch absolut selig und glücklich sein. Doch da erwache ich und erkenne, du hast mich nur im Traum geküsst und kein Zauberspruch dieser Welt wird dich zu mir zurückbringen. Aber wohl aufgestachelt durch diesen intensiven Traum, überlege ich zum ersten Mal seit mich das Schicksal freisetzte, ob ich nicht doch besser führe, wenn ich wieder eine Frau an meiner Seite hätte. In der Hoffnung, du mögest mir auch dies verzeihen, starte ich in einen neuen Tag mit etwas mehr Unternehmungslust als üblich.
  11. Vielen Dank, lieber Carlos, vielleicht gelingt es mir irgendwann. Letztlich ist es doch einer meiner beständigsten Wünsche, Selbstgeschriebenes gebunden in Händen zu halten. Wahrscheinlich aus blanker Eitelkeit. Wie verwerflich! Liebe Grüße Hera
  12. Vielen Dank, lieber Carlos. Ich denke mal, wir Kinder waren auch im Herzen noch keine Räuber, wir hätten es aber vielleicht irgendwann unter der richtigen fachkundigen Anleitung werden können. Liebe Grüße Hera
  13. Hera Klit

    Der Räuber Jochen

    Der Räuber Jochen Das Berndle, der Pauli, der Rainer und ich waren wie alle heranwachsenden Jungs in unserem Alter mit einer blühenden Fantasie gesegnet. Zum Unmut unserer lieben Mütter und Väter setzten wir diese allerdings nicht für die Schule, das Lernen und die Hausaufgaben ein. Nein! Hauptsächlich interessierten wir uns für Räuber- und Gespenstergeschichten und fast den gesamten Tag hielten wir uns damit auf, uns mit diesen für Erwachsene sinnlosen Geschichten zu beschäftigen. Darunter litten unsere Zensuren merklich. Jetzt kam erschwerend für unsere Eltern und deren Erziehungsbemühungen dazu, dass wir in einer Gegend lebten, in der tatsächlich vor vielen vielen Jahren der berühmte Schinderhannes sein Unwesen getrieben hatte. Gleich hinter unserem kleinen Weiler im Odenwald lag der dichte Sauwald mit mächtigen alten Eichen und mit, wie der Name schon andeutet, vielen Wildschweinrotten. Genau in diesem Sauwald sollte sich so erzählten mache, die sie gefunden hatten, die verlassene Räuberhöhle des besagten Schinderhannes befinden. Der Eingang der Höhle sei fast vollständig zugewachsen, sodass alle, die ihn fanden, sagten, sie hätten ihn nur zufällig entdeckt, weil sie etwa vorher über Wurzelwerk oder Ähnliches gestolpert seien und dann fast mit dem Kopf voraus hineinstürzten. Diese Geschichten glichen sich auf seltsame Weise. Die Höhle sei absolut dunkel gewesen und man hätte nicht im Geringsten in sie hineinschauen können, aber es wäre der Eindruck irgendwie in einem entstanden, als sei sie sehr groß und rage weit hinein in den finsteren, felsigen Berg. Es sei dabei in ihnen ein derartig beunruhigendes Gefühl entstanden, so berichteten die jeweiligen Höhlenfinder, dass sie auf der Stelle beschlossen hätten, zunächst heimzueilen, um eine starke Taschenlampe zu holen. In all diesen Fällen lief es darauf hinaus, dass die besagten Höhlenentdecker jene Höhle nicht ein zweites Mal aufgefunden hatten. Nur einer im Dorf, der sogenannte Räuber Jochen, behauptete von sich, die Höhle genauestens zu kennen und gründlich erforscht zu haben. Er wurde nicht etwa der Räuber Jochen genannt, weil er ein Räuber war, sondern weil er jedem und jeder immer wieder von der Höhle und von seinem Wissen über den Schinderhannes berichten wollte. Die Erwachsenen konnten natürlich diese Geschichten bald nicht mehr hören und machten einen Bogen um den bärtigen alten Kauz mit den filzigen langen Haaren und den besonders wenn er vom Schinderhannes sprach, wild, fast wie wahnsinnig funkelnden Augen. Da der Räuber Jochen sich meistens auf dem Marktplatz am Brunnen herumtrieb, war es schwer, ihm auszuweichen auch für noch so beschäftigte und gutsituierte Erwachsene, sodass sie ihm einfach wortlos ein paar Groschen in die Hand drückten und sich schnellstens aus dem Staub machten, nur um eben jene alten Schinderhannesgeschichten nicht wieder und wieder ertragen zu müssen. So verdiente sich der Räuber Jochen praktisch sein Geld für seinen Schnaps durch das Schweigegeld der genervten Passanten. Hatte er genug zusammen, verschwand er drüben im Ochsen und soff sich einen an. Kurz vor Mitternacht konnte man ihn dann das Schinderhanneslied singend durch das Dorf heimwanken sehen. Für uns Kinder war aber der Räuber Jochen ein ganz wichtiger Mann, denn nur er wusste doch über den Schinderhannes genau bescheid und wenn wir auch nur eine kleine Chance haben wollten, den Höhleneingang des berüchtigten Räubers zu finden, dann entweder nur durch ein zufälliges Hineinstolpern, und wann kommt so etwas schon einmal vor, vielleicht nie im Leben oder durch eine exakte Beschreibung ihrer Lage durch den Räuber Jochen. Wir mussten früh am Marktplatz sein, denn dann war der Räuber Jochen noch halbwegs nüchtern und nur dann nahm er uns Kinder überhaupt zur Notiz und war bereit, sein Wissen mit uns zu teilen. Er saß oben auf der Bank und erzählte wild gestikulierend und mit schrecklich geweiteten Augen und wir Kinder lagerten vor seiner Bank auf dem Boden und erwarteten begierig jede noch so kleine Information über Schinderhannes und dessen Höhle. Jochen erzählte uns, dass der Schinderhannes lange schon drüben im Mainzer Raum sein Unwesen getrieben hatte, dass aber der Obrigkeit dort mehr und mehr seine Frechheiten und sein räuberisches Treiben auf die Nerven ging, sodass sie immer bessere Kommissare auf ihn ansetzten, die ihn endlich ausfindig machen sollten damit er seine gerechte Strafe empfangen könne. Die Kaufleute, die sich nicht mehr durch die Mainzer Wälder wagen wollten, flehten die Fürsten an, koste es, was es wolle, diesem Treiben des Schinderhannes ein Ende zu setzten. Hohe Kopfgelder wurden bereits ausgesetzt. Deswegen verlagerte der Schinderhannes seinen Standort bei Nacht und Nebel, nur begleitet von wenigen seiner treuesten Räubergenossen in den Odenwald, eben genau in den Sauwald hinter unserem winzigen Dorf. Dort nisteten sich die harten, gefährlichen Burschen in eine Felsenhöhle ein. Sie begnügten sich zunächst damit, nur wenige Überfälle auf wehrlose Kaufleute drüben im bayrischen Odenwald zu veranstalten und dann wieder in ihrer Höhle untertauchen. Die hier zuständigen Polizeibehörden waren freilich von einem solch ausgefuchsten Räuberhauptmann mit seinen dreisten Mannen total überfordert und so sah es zunächst so aus, so berichtete der Räuber Jochen, dass sich die Bande in diesem Teil des Odenwaldes für lange Zeit festsetzten könnte. An dieser Stelle des Berichts waren wir so fasziniert von diesen Räubern, dass wir sie für wahre Helden einschätzten, in deren Fußstapfen wir zu gerne getreten wären. Sie raubten ja nur wenige Kaufleute aus und brachten diese ja auch gar nicht um. Nur die reine Präsenz des Schinderhannes genügte ja, dass die Kaufleute selber ihre Beutel abschnitten und sie dem listigen, stolzen Schinderhannes vor die Füße warfen, um dann schleunigst stiften zu gehen und sich nie wieder hier blicken zu lassen. Man wusste doch auch nie, auf welch diebische Weise diese fahrenden Kaufleute zu ihrem Geld gekommen waren. Nicht jeder von denen konnte als ehrlicher Mann eingestuft werden und so war es doch eigentlich nur recht, dass Schinderhannes ihnen das Geld abjagte. Der Räuber Jochen machte an dieser Stelle der Erzählung eine längere Pause und stopfte sich unendlich langsam und umständlich seine Pfeife. Wir Jungs waren doch ganz begierig, endlich zu erfahren, wie es dem Schinderhannes und seinen Genossen ergangen war, wir konnten uns doch nur vorstellen, dass deren Erfolgsgeschichte sich nahezu endlos fortsetzen würde, bis der Tod sie auf eine natürliche Art und Weise einst ereilen würde. Sie waren doch in dieser Höhle ganz sicher. Aber als Jochens Pfeife endlich brannte, musste er uns leider vom Niedergang der Bande berichten. Auch ihn schien dieser Teil der Geschichte sehr traurig zu stimmen. Die Bande wurde tatsächlich eins Tages gefasst und alle Mann, angeführt von ihrem stolzen Hauptmann, mussten den Weg auf das Schafott machen, das man drüben in Mainz für sie extra aufstellen ließ. Aber was machte den Niedergang unserer Helden möglich? Wir konnten es nicht fassen. Gier war es gewesen, so erklärte uns der weise Räuber Jochen. Denn die gesamten Räuber und allen voran der Schinderhannes konnten den Hals nicht voll genug bekommen und so überfielen sie viel mehr Kaufleute, als es für ihren eigenen Erhalt notwendig gewesen wäre. Und so mehrten sich die Klagen der geschundenen Kaufleute und sie legten für ein hohes Kopfgeld zusammen, das die Angst etwaiger Zeugen und Informanten milderte und deren Zungen löste. So kam es immer wieder zu Berichten aus der Bevölkerung, man habe die Bande da oder dort gesehen. Außerdem beschloss nun auch der Fürst in Mainz, seine besten Leute in den Odenwald herüberzuschicken, um den Schinderhannes und seine Gesellen ein für alle Mal dingfest zu machen. Und so kam es, dass die Bande eines Tages samt und sonders gefasst wurde, als sie mit reicher Beute auf dem Weg zurück in den Sauwald und in ihr sicheres Höhlenversteck war. Es ist kaum zu beschreiben, wie enttäuschend dieser Hergang der Geschichte für uns Buben war, die wir geglaubt hatten, einen Weg gefunden zu haben, ein interessantes und spannendes Leben leben zu können, jenseits von Schulen, Lehrwerkstätten und den bürgerlich langweiligen Berufen. Wenn selbst ein harter Hund wie der Schinderhannes es nicht hinbekommt, wie sollten dann wir, die wir zugegebenermaßen über eine solche Härte gar nicht verfügten, es hinbekommen ein Räuberleben zu führen. Wir waren ja bisher nicht einmal in der Lage gewesen, die Höhle zu finden. Vielleicht existierte diese Höhle ja auch gar nicht und alles das, was wir vom Räuber Jochen gehört hatten, war nur eine der üblichen erstunkenen und erlogenen Sagen des Odenwaldes? Den Zweifel in unseren Augen mag der erfahrene Räuber Jochen erkannt haben und deshalb zog er einen Gegenstand aus seiner Manteltasche, den er persönlich in der Schinderhanneshöhle entdeckt zu haben behauptete. Das Berndle, der Pauli, der Rainer und ich drängten uns heran, um einen Blick auf jenen geheimnisvollen Gegenstand zu werfen, der angeblich aus der Höhle stammte, dessen Eingang nur der Räuber Jochen noch finden konnte. Es war ein Stück einer rostigen Messerklinge. Er habe sie ganz tief in der Höhle entdeckt, als er nach dem Schatz des Schinderhannes darin grub. Den Schatz habe er aber bisher nicht finden können, aber vielleicht seien wir eines Tages in der Lage, von im angeführt in der Höhle zu graben und den Schatz zutage zu fördern. Diese Hoffnung gab uns Halt in unserem sauren Alltag und wir träumten davon, irgendwann vom Jochen in die Schinderhanneshöhle geführt zu werden und mit ihm reich zu werden. So ertrugen wir unser Leben mit seinen alltäglichen Pflichten und Aufgaben. Und als wir Jahre später erfuhren, der Räuber Jochen sei gestorben, da hatten wir seine Geschichte fast schon vergessen und wir hatten uns im Leben so weit eingerichtet, dass wir es ertragen konnten, ohne Räuber werden zu müssen.
  14. Hera Klit

    Erfolg

    Vielen Dank, lieber Herbert, ich verspreche es. Liebe Grüße Hera
  15. Hera Klit

    Erfolg

    Erfolg So ein stiller Tag, kein Lüftchen weht und der Wald schweigt dunkelgrün. Ganz kinderlos ist der Spielplatz am Baptistengelände und die Gallowayrinder wiederkäuen ruhig liegend im hohen Wiesengras. Nicht einmal der Hahn des Nachbarn, der sonst alle dreißig Sekunden kräht, ist zu vernehmen. Wegen der quälenden Stille spiele ich Gitarre und singe einen Springsteensong. Dabei zeichne ich auf für meinen Channel. Mein Video mit dem John-Denver-Cover erzielte immerhin in der ersten Woche bisher 23 Klicks. Wie einsam und verzweifelt diejenigen die anklickten gewesen sein müssen? Ob mein Gesang ihnen half oder die Tatsache, dass ich noch einsamer erscheine, als sie? Die Psychologin in der Kur sagte, ich solle nur recht viel Gitarre spielen und singen, das helfe mir ganz bestimmt aus dem Gröbsten raus. Auf Wikipedia lese ich, Springsteen hat 113 Millionen gemacht, kürzlich mit seinen Konzerten am Broadway. Er tat auch immer viel für seine Karriere. So etwas fällt einem nicht in den Schoß. So ein Star kann ja schlichtweg mit einem einfachen Menschen gar nicht mehr verglichen werden, denn er ist ja eine Legende und nichts weniger als ein einfacher Mensch. Alles was er tut, erhält ja die allergrößte Beachtung und er muss doch permanent ein Leben auf dem Präsentierteller führen und er muss Erfolg an Erfolg reihen. Die Erfolgskette darf niemals abreißen, sonst fällt er ja ganz tief, tiefer noch als auf das Niveau eines einfachen Menschen. Youtube hat jetzt einen Vertrag mit der GEMA. Sollte mein Cover Song Geld einspielen, dann wird dies an Springsteen weitergereicht. Das ist nur fair. Ich habe den Song schließlich nicht geschrieben. Außerdem kenne ich mich doch ganz genau, wenn jetzt der Broadway anriefe, um mich zu bitten, den leider erkrankten Springsteen zu vertreten, dann würde ich ganz bestimmt die Chance nicht ergreifen. Ich würde Zeitnot vorschützen und sagen, sie sollen Sting fragen, ob der Zeit hat. Nee, die ganzen Leute und dieser laute Applaus, dafür bin ich eben nicht geschaffen. Es ist nicht nur Glück, dass einer wie Springsteen oben ist. Ich für meinen Teil, will hier still in meinem Kämmerlein was hinwursteln und dann weltweit präsentieren. Sollte es wider Erwarten ein Erfolg werden, kann ich ja immer noch untertauchen.
  16. Vielen Dank, liebe Ilona. Liebe Grüße Hera
  17. Vielen Dank, lieber Carlos. Ich denke auch mal, die alten Klassiker hatten so ihre Schwierigkeiten mit den jungen Wilden. Ein bisschen Konkurrenzdenken war wohl auch dabei. Menschlich, Allzumenschlich. Liebe Grüße Hera
  18. Vielen Dank, lieber Herbert. Nein, es war ein altmodischer Kaffee, aber er schmeckte ganz wunderbar. Liebe Grüße Hera
  19. Hera Klit

    Schattencafe

    Schattencafé Café Bormuth im Schatten. Ein typisches Rentnercafé auf dem Marktplatz. Stuhl und Einzeltisch kippeln auf dem Kopfsteinpflaster. Eine Tasse Kaffee und vielleicht noch ein Stück Käsekuchen, man muss erst mal nachschauen, was noch da ist. Ich akzeptiere das letzte Stück Käsekuchen mit Früchten. Gegenüber liegen die angesagten Cafés in der prallen Sonne. Dort saßen wir immer. Du hattest etwas Südländisches und brauchtest unbedingt Sonne. In der Toskana fragten dich die Einheimische nach dem Weg. Ich lese in der gerade erstandenen Italienischen Reise. Der Alte ging nie so an mich, außer seinem Faust und ein paar Gedichten. Ich versuche mich ihm erneut zu nähern, obwohl er Hölderlin und Kleist blockierte. Altersmilde macht mich verzeihbereit. Womöglich suche ich Antworten, die nur würdevoll gereifte Dichter zu geben vermögen. Altvertraute Wege und Plätze waren mir heute ganz neu erschienen. Die Stadt hat sich verändert und ich auch. Wir beide bewahrten Altes und ließen Neues zu. Am Nebentisch erklärt ein maximal Betagter einem anderen den Ukrainekrieg. Auf dem Gehsteig vor mir beschimpft eine Greisin einen betrunkenen Rempler, als Besoffenen. Sie mosert ewig weiter, der Kerl ist längst weg. Aber, wenn man schon mal im Recht ist. Ich zahle gleich, dann kann ich eventuell schnell weg. Der Kellner ist digitalisiert, ich bekomme keine Quittung. Es ist der fünfte Oktober zwanzig zwanzig und ich habe heute Abend nichts vor. Goethe war am Abend des fünften Oktobers siebzehn achtundsechzig in der „Elektra“ Das Stück fand er abgeschmackt und es langweilte ihn. Ich bestelle noch einen Kaffee und der Kellner erkennt digital, dass ich schon gezahlt hatte. Ich weise darauf hin, dass ein Beleg sicherer gewesen wäre. Er beruhigt mich und sagt: „Nein, nein, ich finde alles.“
  20. Vielen Dank, lieber JoVo, ein gerüttelt Maß an Angst vor Nähe schwingt auch mit. Liebe Grüße Hera
  21. Vielen Dank, liebe Ilona. Liebe Grüße Hera Vielen Dank, lieber Herbert. Liebe Grüße Hera
  22. Vielen Dank, lieber Carlos. Liebe Grüße Hera
  23. Hera Klit

    Einmaliger Einkauf

    Einmaliger Einkauf Ich konnte nicht mehr in den alten Penny gehen, alles dort ging mir auf die Nerven. Die Pennyeinkaufswägen mit schlackernden Rädern, das ruckelnde Pennylaufband und die fragenden Augen der Pennykassiererin. Alles dort verwehrte mir die nötige Distanz, um ungestört einzukaufen. Vierzehn Jahre sind genug, selbst für Mord bekommt man weniger bei guter Führung. Wir Menschen sind keine Sumpfdotterblumen, wir haben die Ortswechseloption. Ich fuhr zu einem Penny im anderen Ortsteil. Und siehe da: Pennyeinkaufswägen mit gut geölten Rädern, ein gut geschmiertes Pennylaufband und sogar eine Pennykassiererin, die ihren Job zu machen schien. Mein Jahrgang und gut in Schuss, das ist selten. Ich starrte ihre Haare an bei der Laufbandbestückung. Blond, kurz, fesch, geiler Schnitt. Ob mir das auch stünde? Bei der Warenabnahme berührten sich unsere Hände. Sie musterte mich. Ich entschuldigte mich. Sie lächelte. Bei der Geldübergabe ruhte ihre Hand einige Sekundenbruchteile zu lange in meiner, während sie meinen Blick suchte. Ich schaute weg und ging grußlos, ohne Treuepunkte.
  24. Die breite Masse hat meist nicht das Niveau, um notwendige Neuerungen zu begreifen und zu akzeptieren. Liebe Grüße Hera
  25. Doch ich und andere, die durchaus auch zur Bevölkerung gehören, möchten gendern. Liebe Grüße Hera
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