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Hera Klit

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Alle erstellten Inhalte von Hera Klit

  1. Schön geschrieben. Es hat mich sofort an das erinnert: "Wish you were here" von Pink Floyd. Liebe Grüße Hera
  2. Hera Klit

    Améliechen

    Klaus stand fassungslos vor seinem aufgebrochenen Spind. Wie hatte sie das nur geschafft? Normalerweise war sie nicht zu den geringsten handwerklichen Tätigkeiten fähig. Und jetzt das hier. Mit seinem Brecheisen hatte sie seinen Spind in seinem Hobbyzimmer aufgebrochen. Das Vorhängeschloss war zu schwach gewesen. Hatte ihrer Neugier und ihrem Erkundungstrieb nicht standgehalten. Einige seiner Sachen waren herausgerissen und lagen verstreut auf dem Boden herum. Hoffentlich war nichts beschädigt. Klaus sammelte die Sachen ein und legte sie sorgfältig in seinen Koffer. „Wieso tust du mir das an?“, hörte er sie drüben im Wohnzimmer brüllen. Sie hatte ihn schon morgens auf der Arbeit angerufen und unter Drohungen aufgefordert auf der Stelle nach Hause zu kommen. Wenn nicht, würde sie die ganze Nachbarschaft zusammentrommeln, damit die alle sähen, mit was für einem Perversen sie verheiratet war. „Du bist doch krank, das ist doch offensichtlich.“, bellte sie weiter. Ihre Stimme überschlug sich fast. „Schaff‘ nur alles fort, die Kinder sollen das nicht sehen.“ Der Laptop, mit dem Klaus so viele aufregende Begegnungen vor der Cam, in langen Nächten in seinem Hobbyzimmer gehabt hatte, war Gott sei Dank vollkommen unversehrt. Klaus gab ihn zwischen die Sachen in den Koffer. „Da glaubt man, man kennt einen Menschen und dann stellt man fest, er ist nicht der, für den er sich ausgibt. Ich werde die Scheidung einreichen und ich werde das Haus und die Kinder bekommen und du wirst gar nichts mehr haben, dafür sorge ich du perverses, krankes Schwein.“ An ihrer Tonlage erkannte Klaus, dass sie bald wieder ihre Tabletten brauchen würde. Er fühlte sich jetzt etwas schuldig, weil er sie in diesen Zustand versetzt hatte. Obwohl er sie ja nicht darum gebeten hatte, seinen Spind aufzubrechen und in seinen Sachen zu schnüffeln. Das hatte sie sich jetzt schon selbst zuzuschreiben. Immer wollte sie genau wissen, wen sie neben sich hätte, ständig fragte sie ihn, was er denke und ob er sie noch liebe. All diese Frauenfragen. Ihm ging das schon lange auf den Geist. Hatte sie sich jemals gefragt, ob er sich noch von ihr geliebt fühlte? Ob das für ihn noch das Leben war, das er sich wünschte? Die Kinder, das Haus, die Hypotheken, der Hund der ständig Gassi gehen wollte und der beschissene Job, den er machte, um die ganze Chose am Laufen zu halten. Ihr war doch egal, ob er auf seine Kosten kam. Funktionieren musste er, wie ein aufgezogener Spielzeugroboter ohne Hirn und ohne seelisches Innenleben. Klaus begann sich zurechtzumachen und seine tollsten Sachen anzuziehen. Er prüfte sein Aussehen im Spiegel in der Spindinnentür genauestens. „Wenn du rauskommst, haue ich dir die Pfanne über den Schädel.“, drohte sie. Klaus wusste aus Erfahrung, dass sie zu hysterischen Gewaltausbrüchen neigte. Das war ein Grund, warum er niemals den geringsten Versuch unternommen hatte mit ihr zu reden. „Meine Mutter hatte mich ja gewarnt. So ein verweichlichter Kerl taugt nichts, hatte sie gesagt. Und jetzt behält sie verdammt noch mal wieder recht.“ Ihre Stimme wurde etwas nachdenklicher. Aber das hatte nichts zu sagen, Stimmungsschwankungen waren bei ihr an der Tagesordnung. Klaus musste sich fertigmachen, er wollte optimal, schön und wohlgefällig aussehen. „Denk nicht, dass ich deiner Mutter nicht alles sagen werde. Sie soll ruhig wissen, welches Subjekt sie gezeugt und aufgezogen hat.“, tönte sie vom Wohnzimmer aus, noch lauter werdend. „Ich werde das nicht geheim halten, darauf kannst du Gift nehmen, nein alle werden es erfahren, das sage ich dir, du Scheusal. Dein Chef schmeißt dich sofort raus, wenn ich ihm das stecke. So einen Monteur braucht der sicher nicht. Eine Blamage. Was werden die Leute denken, ich begreif das nicht.“ Jetzt klingelte es an der Tür. Seine Frau verstummte abrupt und lief hin, um aufzumachen. „Ist Améliechen da, ich möchte sie abholen.“, hörte Klaus jetzt eine sonore Männerstimme fragen. Klaus trat hinaus aus seinem Hobbyzimmer in den Wohnungsflur und rief mit der femininsten Stimme die ihm im Augenblick zur Verfügung stand, zu dem etwas antiquiert wirkenden älteren Herrn im Zweireiheranzug in der Wohnungstür, „Ja lieber Paul, ich komme schon.“ Seine Frau fuhr herum und sah Améliechens großen Auftritt. Sie musste mit ansehen, wie Améliechen in ihrem tollsten Zofenoutfit und herrlich mondäner blonder Lockenperücke, dem schwarzen Minikleidchen mit dem adretten weißen Kittelschürzchen, durch den Flur auf hohen Heels mit aufreizenden Schritten herantrippelte und dem wartenden Herrn an der Tür direkt in die Arme fiel. Die beiden küssten sich recht intensiv und dann hielt der Herr Améliechen den Arm hin, in den diese sich gekonnt einhakte. „Ich bin überglücklich, dich endlich mit zu mir nehmen zu dürfen, mein liebes Amélieche.“ sagte der Alte mit ehrlich bewegter Stimme und Améliechen antwortete, nicht weniger gerührt und aufgekratzt und mit neckischem Augenaufschlag, „Liebster Paul, die Freude ist ganz auf meiner Seite, glaube es mir“. Dann beobachtet die Ehefrau von Klaus noch fassungslos und ziemlich konsterniert, wie das ungleiche Paar Arm in Arm durch den Hausflur schritt und durch die schwere Haustür ins Freie trat. Der Hund wollte eigentlich Gassi gehen, aber er wurde in sein Körbchen geschickt und musste noch Stunden darin ausharren, bis sich jemand erbarmte, mit ihm rauszugehen.
  3. Das war auch mein Gedanke. Wenn man diese Sonne zum Leuchten bringt, kann man überall gut leben. Vielen Dank. Liebe Grüße Hera
  4. Vielen Dank Anonyma. Du liegst in vielem richtig, nur das mit der Resignation würde ich nicht unterschreiben. Liebe Grüße Hera
  5. Dann habe ich mein Ziel erreicht. Vielen Dank lieber Carlos. Liebe Grüße Hera
  6. Vielen Dank Donna. Liebe Grüße Hera
  7. Sie hat wenigstens noch seinen Geburtstag abgewartet. Mehr kann man oft nicht verlangen. Liebe Grüße Hera
  8. Hera Klit

    Hohe Kreise

    Hohe Kreise Der Garten verwildert, die Hauswand blättert. Ich bin nicht mehr der sorgende Hausherr und Gärtner im eigenen Dienst. Mir geht der Geist gen Süden, wo die Schwalben hohe Kreise ziehn. Wo ich Fremdling bin unter Fremden und wo das Gepäck ein leichtes ist. Keiner wird mit dem Finger auf mich zeigen und meinen, er kenne mich. Dort, wo die Sonne auch nachts scheint, will ich aufleben, von der Sorge um meine Habe befreit.
  9. Oft geben schwarze Schafe die beste Wolle. Liebe Grüße Hera
  10. Ich ziehe einen van Gogh immer noch einem Dalí vor, einfach weil er das Herz anspricht. Aber natürlich kann der Verstand, besonders wenn er unruhig ist, im impressionistischsten van Gogh noch eine surrealistische Tiefe entdecken.
  11. Die spezielle Erwähnung von Männernamen, könnte auf das Gefühl der Eifersucht hindeuten.
  12. Schön und informativ liebe Ilona. Michelstadt - mit dem schönsten historischen Rathaus der Welt Liebe Grüße Hera
  13. Vielen Dank liebe Ilona. Ja, die Schilder sind aus Plastik. Liebe Grüße Hera
  14. Vielen Dank Carlos. Ich verrate eigentlich ganz gerne mal was. Warum sollte ich in Rätseln sprechen? Liebe Grüße Hera
  15. Hera Klit

    Dinge tun

    Ich lege die Rosen zum Sterben auf die Stelle unter unseren Baum, wo ich deine Urne vermute. Auf dem kleinen Plastikschild, verschraubt am Stamm, stehen jetzt auch zwei Männernamen. Ich freue mich für dich, denn du warst nie gerne allein. Früher war ich nicht so großzügig zu dir. Ich bereue auch dies. Irgendwann werden sie ein größeres Schild anbringen, damit auch mein Name darauf passt. Bis dahin denke ich oft an dich und tue noch Dinge, von denen ich glaube, sie müssten getan werden.
  16. Vielen Dank Sternenherz. Liebe Grüße Hera
  17. Aber wohin nehmen wir das Neue auf und warum, wenn wir doch nur leere Hüllen sind und unser Ego nur ein unnützes, zeitbedingtes Gespinst ist?
  18. Hera Klit

    Abendstimmung

    Vielleicht hat Ilona recht, denn in dem "nur" steckt eine Wertung, die den Fleck in seiner kosmischen Bedeutsamkeit herabwürdigt. LG Hera
  19. Der "Mensch an sich" scheint mir ein schwer fassliches Phänomen zu sein. Manchmal vermute ich, dass wir nur leere Hüllen waren, bereit für die Aufnahme von Konditionierungen. Das sogenannte Ego also. Vielleicht hatte Kant recht, als er sagte, das Ding an sich, können wir nicht erkennen.
  20. Oftmals scheint es leichter seine Feinde zu lieben, als sich selbst.
  21. Vielen Dank Herbert. Meine Mutter hat versucht, es meinem Vater recht zu machen und sie hat zeitlebens auf sein Urteil vertraut. Liebe Grüße Hera
  22. Ich glaube in diesem Passus liegt das eigentlich Problem verborgen. Oft liegt der Sinn unserer "Fehlbarkeit" darin begründet, weil wir uns auf einem falschen Weg befinden.
  23. Hera Klit

    Onkel Heribert und Donna Summer

    Es war schon fünf nach zwölf und ich bekam immer noch kein Auge zu. Morgen sollte Vaters Fünfzigster gefeiert werden, da würde ich viel Kraft und innere Stärke benötigen. Man kann sagen, das war gewöhnlich der denkwürdigste Tag des Jahres, an dem die Spannungen zwischen Vater und mir regelmäßig bis zum Siedepunkt anstiegen. Meine Schwester hatte längst die Flucht ergriffen, doch ich hing mit meinen inzwischen einundzwanzig Jahren immer noch in diesem Haus fest. Ich empfand dieses Haus, mein Vaterhaus, als einen Käfig, aus dem ein Entrinnen unmöglich schien. Zu allem Unglück war der Käfig nicht einmal vergoldet. Dabei hatte zwischen Vater und mir alles so gut begonnen. Ich war ein großes, schweres, rosig-gesundes Baby gewesen, anscheinend genau der Stammhalter, den er sich so sehr wünschte. Es wurde berichtet, er soll bei meiner Geburt vor Glück geweint haben. Das Glück hielt nicht lange an, denn ich entwickelte mich leider nicht in der von ihm gewünschten Weise. Er war groß und stark und schön und schwarzhaarig und sah in jungen Jahren aus wie Elvis. Ich blieb klein und blond und schwächlich und sah bald aus wie Mutter in jungen Jahren. Ironischerweise kam meine Schwester ganz nach ihm. Sie versuchte eine Zeit lang der gewünschte Stammhalter zu sein. Der Versuch misslang, denn sie verfügte nicht über den dafür erforderlichen Penis. Sie verließ früh ihr Elternhaus und ihre größte Stärke war es, unglückliche Liebschaften mit verheirateten Männern vom Zaun zu brechen, bei denen sie regelmäßig mächtig draufzahlte. Aber das ist eine andere Geschichte. Ich besaß nicht den Mut und die Todesverachtung, die Vater von einem richtigen Jungen erwartete. Einmal stellte er eine lange Leiter an das Haus und befahl mir hochzuklettern. Da ich unter Höhenangst litt, kam ich nur wenige Sprossen hoch, bis die Angst mich übermannte. Ich blieb stehen und verlangte, heruntergehoben zu werden. Er schüttelte angewidert den Kopf und sagte, es sei erbärmlich, wie ich an meinem bisschen Leben hinge. Wir hatten eine Landwirtschaft und ich musste schon früh hart arbeiten, Seite an Seite mit meinem von mir als übermächtigen empfundenen Herrn Vater. Niemals gelang es mir auch nur annähernd auf irgendeinem Gebiet an seine Leistung heranzukommen. Überall blieb ich weit hinter seinen Erwartungen zurück. Er gab mir keine Chance. Mich einmal gewinnen zu lassen, wie man es gewöhnlich mit einem Heranreifenden tut, kam ihm nicht in den Sinn. Er beabsichtigte scheinbar nicht, in mir so etwas wie Hoffnung auf Erfolg aufkeimen zu lassen. Es wurde mit den Jahren mehr und mehr deutlich, dass er es bedauerte, keinen würdigen Sohn und Nachfolger gezeugt zu haben. Er verlegte sich letztlich darauf, mich mit Verachtung zu strafen. Ich konnte tun, was ich wollte, es genügte nicht. Wollte ich ihm bei der Feldarbeit gar eines meiner liebsten Hölderlingedichte vortragen, dann lehnte er barsch ab. Er las in seiner Jugend nur Tarzancomics, das genügte ihm, um zu dem Mann zu werden, der er war. Dem Großvater war Hölderlin noch ein Trost gewesen. Er trug ihn im Tornister mit in einen ungerechten Krieg, in dem man ihn zwang, unschuldige Menschen zu erschießen. Lange verurteilte ich ihn dafür, bis ich einsah, welchen Mut es erfordern würde, den eigenen Genickschuss dem Schießen auf Fremde vorzuziehen. Fremde zudem, die dem allgemeinen Konsens nach als Feinde ausgemacht waren. Irgendwann wurde ich Realist genug, um einzusehen, dass ich in dieser Situation womöglich genauso gehandelt hätte. Alles andere sind Taten von Helden. Aber Helden sind oft wahnsinnig und mithin auch äußerst selten. Großvater zahlte für seine Taten, auch wenn sie nicht aus ihm selbst entsprangen, mit seinem Leben und kam nie zurück, er blieb verschollen, weit im Osten. Ein vergilbter Zettel mit der Nachricht seines leichten Todes und ein Brief, der mit einigen Hölderlinzeilen schloss, waren die letzten Zeugnisse von ihm, die Großmutter wie Schätze bewahrte. Zeitlebens hing sie seine Anzüge zum Lüften raus und kontrollierte seine verbliebenen Socken auf Löcher. Das Fehlen der Großväter meiner Generation lieferte uns Enkel schlecht erzogenen Vätern aus und dieser Umstand ist, glaube ich, in seiner Tragweite nie ausreichend beleuchtet worden. Mein Vater gehörte zur vaterlosen, erfolgreichen Nachkriegsgeneration, die Deutschland wieder aufbaute und die die romantische Landwirtschaft umkrempelte, um sie auf den Siegeszug der industriellen Revolution zu führen. Er gab die Pferde des Urgroßvaters unter dessen Tränen ins Schlachthaus und zwängte die freiheitsliebenden Hühner in Legebatterien. Er begradigte und vermehrte die Felder und betonierte den Hof. Exzessives Düngen und massivster Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wurden seine Säulen der Betriebsführung. Das Wort Umweltschutz war damals noch nicht erfunden worden. Als ich anfing, laut über biologischen Landbau nachzudenken, wurde ich endgültig zu Vaters Widersacher, dem der Hof nie in die Hände fallen dürfe. Er sorgte dafür, dass ich über den Status eines Knechtes auf dem Hof nie hinauskam. Wenn ich heute an meinen Vater zurückdenke, nachdem er die Welt bereits verlassen hat, sehe ich ihn hoch droben auf seinem sonnengelben, mächtigen Mähdrescher, mich keines Blickes würdigend fahren, während ich unten herumwusele, um abtrünnige Ährengarben in das gefräßige, ratternde Mähwerk zu reschen. Er würde niemals angehalten haben wegen mir. Auf ein Heruntersteigen durfte nicht gehofft werden. Wie aus Verzweiflung begann ich irgendwann, mich so zu verhalten, wie ich annahm, dass Vater es am meisten hassen würde. Besonders weibisch, linkisch und unmännlich. So war mir wenigstens ab und zu seine Aufmerksamkeit sicher, wenn es auch eine Aufmerksamkeit voller Verachtung war. Wer seinem Vater nicht genügt, der genügt der Welt nicht. Ich war kein Sohn, mit dem man im Wettstreit mit anderen Bauernpatriarchen auftrumpfen konnte. Ich musste unerwähnt bleiben. In der Schule war ich stets der Kleinste, in der langen Reihe ganz hinten eingeordnet und die Tanzstunde machte ich nicht mit, weil es kein Mädchen gab, das kleiner war als ich. Keine hätte auf mich als Tanzpartner herabschauen wollen. Vater war seinerzeit Tanzkönig gewesen, die entsprechenden Bilder schmückten noch immer den Kaminsims. Einen bemerkenswerten Erfolg errang ich beim Theaterspielen in der Schule. Besonders in komischen Frauenrollen wusste ich zu gefallen. Mir war es egal, warum sie lachten, Hauptsache, ich war der Anlass des Lachens. Da es die Tradition in unserem Hause verlangte, dass alle an Vaters Geburtstag irgendetwas Einstudiertes darbringen sollten, um Vater zu ehren, musste auch ich etwas vorweisen. Irgendwann erkannte ich darin die Chance, mich selbst zu präsentieren. Deswegen schlüpfte ich in Frauenrollen, das lag mir am nächsten. Gleichzeitig war ich mir sicher, damit Vaters ungeteilte Aufmerksamkeit und Ablehnung zu bekommen. Letztes Jahr hatte ich eine Donna Summer Parodie hingelegt. Ich performte ihren Skandaltitel „Love To Love You Baby“, vor Vater und einer großen Anzahl von Gästen. Mein Livegesang mit den lasziven Stöhneinlagen brachte Vater fast ins Grab. Mutter flehte mich danach an, keine Frauenrollen an Vaters Geburtstag mehr zu bringen, es stünde sowieso nicht gut um sein Herz. Sollte ich ihn auf dem Gewissen haben wollen, müsse ich nur so weiter machen. Es erstaunte mich schon, dass sie so an seinem bisschen Leben hing. Da ich es letztlich nicht übertreiben wollte, studierte ich für dieses Jahr Mutter zu Liebe, eine Mick-Jagger-Parodie ein. Der war ja nur so eine Art Frau. Morgen würde der Tag sein, an dem ein von allen hochgeschätzter, ehrbarer Mann gefeiert werden würde, der im Leben alles richtig gemacht hatte. Da ich in dieser Nacht vor Vaters Geburtstag noch immer nicht einschlafen konnte, beschloss ich mir ein Gina Wild Video anzuschauen und mich etwas in sie hineinzuversetzen und dabei zu entspannen. Die Gina war eine Frau, die ich zu gerne parodiert hätte und zwar mit allen Einzelheiten. Ich musste allerdings den Ton ganz leise stellen, denn im Nebenzimmer waren Onkel Heribert und Tante Mimmie aus der DDR einquartiert, sie verpassten Vaters Geburtstag nie. Alle wussten, dass Onkel Heribert ein Mann war, der nur aus gesellschaftlichen Konventionen heraus geheiratet hatte. Darüber durfte aber nicht geredet werden. Überflüssig zu erwähnen, dass er bei meinem Vater in keinem hohen Ansehen stand. Ich war so leise es irgend ging, aber dennoch klopfte es an meiner Zimmertür. Es war Onkel Heribert im Schlafanzug, der auch keinen Schlaf finden konnte, wegen des bevorstehenden Stresstages. Er frage sich, welche Frauenparodie ich wohl dieses Jahr zum besten geben würde und könne darüber einfach nicht einschlafen. Ich gestand ihm eingeknickt zu sein und mich für Mick Jagger als bisexuellen Kompromiss entschieden zu haben. Das enttäuschte ihn nicht wenig. Wieder ein Mann, den ich enttäuschen sollte? Er hätte mich als Donna Summer sehr genossen, den Gesang, das Stöhnen und das aufregende Outfit. Gerade die silbernen Overknee-Stiefel hätten mir so gut gestanden. Ob ich die wohl noch besäße? Ich hatte sie natürlich noch, solche Perlen der Schuhmacherkunst wirft man ja nicht weg. Das gesamte Donna Summer Outfit lag noch in meinem Schrank. Ich war gerne bereit, es auf seinen speziellen Wunsch hin noch einmal anzuziehen und die Donna Summer für ihn zu machen. Ich tanzte ein bisschen und ich sang und ich stöhnte dazu ganz lasziv, aber leise, um Tante Mimmie nicht aufzuwecken. Es wurde dann doch noch eine schöne Nacht. Wir machten durch bis um drei Uhr und hatten unsere kleine gemeinsame Revolution gegen das Establishment, von der niemand etwas erfuhr. Am nächsten Tag beschloss ich, wegen Übermüdung dieses Jahr gar keine Parodie zu bringen, nicht einmal Mick Jagger. Man muss auch den Mut haben, sich gelegentlich einmal zu verweigern. Vater hingegen verlebte einen entspannten, glücklichen Tag.
  24. Vielen Dank für deinen Kommentar Rudolf. Richtig, wir erfahren nicht, ob das LI die Einladung annahm und auch nicht, warum der Auftrag nicht angenommen wurde. Die Risiken hätten aber zu 100 % bei dem LI gelegen. Auch eine Freundschaft kann sich als nicht tragfähig erweisen, wenn das Verhalten der Beteiligten nicht den Vorstellungen und Wünschen entspricht. LG Hera
  25. Ich schreibe die Dinge auch, weil die meisten Leser es als normal empfinden ein bisschen homophob zu sein. Ich will eine Lanze für das dritte Geschlecht brechen. Den "Tod in Venedig" habe ich gerne gelesen, ich habe mich allerdings gewundert, dass Thomas Mann mit diesem starken Tobak so glimpflich durchkam. Ich möchte mit so einem Stoff nicht in Verbindung gebracht werden.
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