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  1. Kunstersatz

    Felsenfest

    Sie stehen ohne Regung, felsenfest, Zinne und Giebel heißen ihr Nest, dort halten sie ihre rastlose Wacht, von Morgenfrüh bis tief in die Nacht; Graue Eminenzen, Richter aus Stein, eingeschworen auf Häusergebein, Könige wie Bettler, arm wie auch reich, vor ihnen ist ein jedermann gleich; Nichts entgeht dem leeren Blick, erkennen ein jedes Missgeschick, teuflische Fratzen, voller Hohn, dem Frommen Warnung, dem Sünder Lohn; Der Vater ist Fels, die Mutter zu haus, Burgen und Kirchen tragen sie aus, mit Staub und Schatten sind sie verwandt, nichts hat je ihre Liebe gekannt;
  2. Carolus

    Ein Stückchen Freiheit

    Ein Stückchen Freiheit Am Abend von fern des Dorfes Kirchenglocke zur Andacht lädt ein. Dabei ist seltsam ihm zumute wie in seiner Kinderzeit, als scheinbar er im Dorf geborgen und beschützt vor Krieg, vor Schmerz und Leid. Heute lockt ihn nicht mehr einer Glocke hallender Ton in ein Gotteshaus aus Stein. Lieber hockt er mitten im Wald auf einem bemoosten Felsen, atmet Frieden und ersehnte Stille ein. Ihm scheint, er weiß nicht wieso, als hörte er, wie eine Stimme von irgendwo leise zu ihm spricht: „Mich, Suchender, findest du überall, nur hinter den Steinen der Kirche nicht.“
  3. Die schwarze Kirche Die Abendsonne funkelte rötliche Liebespfeile durch die gotisch floralen Fensterdome, deren Schattenmorellenfarben nackte Elfen und Seerosen in verzückten Glasmalereien offenbarten. Die Stuckfenster und Bögen verliehen dem kleinen Saal etwas feierliches und der kleine Springbrunnen mit Rotwein erwartete aus dem Munde einer Muse den erquikenden Kuss berauschender Sinne. Der wahre Kirchenhort öffnete sein Paradies um Mitternacht und herein strömten Freunde, Gleichgesinnte, Künstler, Visionäre, Heiden, Outsider und weiß der Teufel wer. Mädchen mit schwarzen Lippen, milchreiner Haut und glühenden Augen, lächelten ins blühende Blumenlicht dicker Kerzenstatuen. Die Seitenschiffe der einst leerstehenden Kirche waren komplett zu Liebessälen verwandelt. Blumen in allen Farben blühten einmalig unter den Tritten der Gäste, welche sich in mit Rosenwasser gefüllten Marmorwannen ihrem Vergnügen hingaben. Die Bedienung trug zierliche Schmetterlingsmasken und durfte mit ihnen tun, was sie wollte, solange es aus freiem Willen geschah. Gelage umkränzte die schweren Kerzenhalter und von elbenverschlungenen Schlussteinen rankten aus Dornen gesponnene Rosenkranzleuchter herab, zu dem schüchtern erröteten Ambiente der Sprudel- und Weihrauchbecken. Wir hatten die Ordnung der Gebetsbänke zum Knien beibehalten und man konnte mit samtenen Gehängen unter sich bleiben. Das Hintergrundgeräusch leise kichernder und seufzender Stimmen wirkte anregend, wie das dezente Klingen der Kristallpokale oder das nasse Lustgefühl sich begegnender, liebesdurstiger Leiber. Aus den Wänden beugten sich verzückte Engel, die aus offenen Herzen rötliche Wasserstrahlen bluteten, durchsetzt mit Blumenblüten... Für hingebungsvolle Gäste, die nicht bloß an den Seitentischen zusehen wollten, sondern sich in eines jener Muschelbecken zurückziehen gedachten. Das linke Seitenschiff umfasste zur Hälfte einen Tanzsaal mit schwarzen Spiegeln und kleinen Alkoven, zum kennenlernen, mit Netzzugang zu der Privatbibliothek des Hauses, wo auch Werke unter Vertrauenspasswörtern einsichtig wurden, die keine Suchmaschine ihren verzweifelt Suchenden gönnte. Der vordere Bereich des Seitenschiffs barg Räume für besinnliche Gemüter, im Muscheldesign, bekleidet mit römischen Liegestühlen, umflossen von schwimmenden Früchteinseln und Erfrischungen. Die vierte Dimension des unteren Gewölbes, welches über den Kellertreppen erreichbar war, verschloss sich menschlichen Sinnen und wir arbeiteten noch daran... in den Tiefen, den Wesen der ewigen Metamorphose alles zu bieten, was ihre kosmische Genese beschleunigen mochte. - Teil II - Der Hauptsaal des Kirchenschiffes wurde durch eine gesandstrahlte Eiskrone gekrönt, ein Meisterwerk moderner Glaskunst. Teilweise schien sie gefroren und kühl anzulaufen, wie Eisflammen, die durch unsichtbaren Zauber der Zeit und ihrem zügellosen Verfall widerstanden. Mächtige Dome ragten durchsichtig in die dunklen Schatten der Schmetterlingskuppel. Ich selbst nannte das Hauptkirchenschiff Schmetterlingssaal, weil es wirklich die Schmetterlinge in unserem Wesen tanzen ließ. Der tiefe Bass der Musik trieb mit einem irrwitzigen Stoß rotes Kunstblut durch vier Glasdome nach oben. Altäre offenbarten seitwärts Tänzerinnen auf Engelpodesten. Chojin kam die Tische entlang und flüsterte mir etwas ins Ohr: „Die Scanner unserer Bastler zahlen sich aus..." „Mit Sicherheit fundamentalistischer Geheimdienst", flüsterte er. „Sie tragen Mikrokameras und Aufnahmegeräte und sogar Life-Sender mit sich herum. Soll ich die Störfunktion wirksam machen?" „Nein, nicht nötig! - Setzt sie sofort in eine VIP-Lounge", flüsterte ich. „Nahe zur Krone der zwei bleichen Schwestern." Seine Blicke flogen träumerisch kurz zu dem strahlenden Rubinschauspiel der Bühne. - „Ja, es ist schon ein Fluch, das du alles haben kannst, wenn du zu anziehend bist und darum niemandem mehr trauen vermagst..." „Sieh mal, mit welchen Augen die sich hier umblicken." „Als wäre dies ein Raumschiff und wie unwohl und steif sie ihre Kasematten-Klamotten tragen!" - „Was sollen denn diese protzig verkehrten Kreuze bis zum Bauchnabel?" „Dabei sollten die Augen deiner Feinde die schärfsten und ehrlichsten sein..." Schließlich kam "Snowflake" an unsere Tafel und ihre traurigen Augen funkelten wie seltsame Eisflocken durch die Reflexe der Bühne. - „Ich liebe die Magie welche Transzendenz zeugt, zwischen Realität, Geist und Phantasie", haucht sie und zwinkerte einem der Gäste dabei zu. „Eben träumte ich noch von weißen Stuten, die ich entlang einer gischtgepeitschten Küste entlangritt und das Meer grollte, welches unsere geliebte Insel vor Entweihung verbarg." - „Du bist der Liebling unserer lichterfüllten Ahnen! Gibt es denn nichts mehr, was dir reine Freude bereitet?" - „Du weißt ganz genau, was mir schiere Freude bereitet! Das selbstvergessene Tanzen, mein Lieber, das Schwingen der Seele!" „Ich begebe mich mal zu unseren Glaubensbrüdern", seufzte sie. Sie schaffte es relativ schnell, eine angeregte Diskussion dort zu entfachen. Später kam ihre Schwester hinzu und setzte sich in den Schatten hinter ihrem fast nacken Rücken. Eben ging es um die Frage, ob Erfolg glücklich mache, wenn dadurch erst andere unglücklich gemacht werden müssten. „Ich finde, Konkurrenz belebt das Geschäft", mischte sich ein junger Yuppie ein, der schon lange "Snowflake" mit den Augen verschlang. „Ich frage mich, ob es wahre Konkurrenz bei all den Lobbys und Absprachen und verteilten Rechten überhaupt noch wirklich gibt?" - „Es wird immer eine hierarchische Pyramide geben. Was gut ist und gerecht, entscheiden immer die Gewinner!" - „Ich nehme mal stark an, du gehörst dazu..." - „Wenn ich dich heute Abend die Pyramide emporsteigen ließe, wäre dies mein erfolgreicher Höhepunkt, Baby..." - „Hast du dir jemals vorgestellt, das all diese Menschen bloß wegen ihrer Seele hier auf Erden so dermaßen gut gedeihen?" - „Seltsame Frage... Also, ich glaube nicht an eine eigensinnige Seele. Eher an Beweise durch materielle Vernunft." - „Nun, an die eigene Seele muss man gar nicht glauben. Man muss sie sich nur bewusst werden lassen..." - „Sieh da, mit dem umgedrehten Kreuz über dem versteckten goldenen Kreuz unter ihrem Brokathemd!" „Könnten sie sich vorstellen, das Jesus damals seine Jünger sein Blut trinken ließ und in diesem Ritual von seinem Königreich als Seele sprach?" Die Männer wechselten kurze Blicke und meinten freundlich, das sie davon keine Kenntnis besäßen. - „Viele Gründer von Menschreligionen waren Bluttrinker. Womöglich legten sie Herden an, mit Hirten für den jüngsten Tag..." Der Yuppie wollte unbedingt ihre Aufmerksamkeit zurück... - „Alle Religionen verfolgen im Kern angeblich den einen göttlichen Traum. Steht sogar in Wikipedia! - „Hmja, dann muss es wohl zweifellos stimmen... Eher verfolgt man den alten Traum Roms, welches seine Macht durch das Wechseln eines Glaubenssystems vor dem Aussterben bewahrte." Einiges Wissen hatten sie von den Etruskern und später von den Griechen übernommen. Doch ihr Minderwertigkeitskomplex vor Kulturen, die Frauen die gleichen Rechte mit jener Unschuld zugestanden, die Männern vorbehalten blieb ließ selbiges nicht zu. Die Heilkunst entfremdeten sie von den Heiden, denn wer die Krankheit beherrscht, wird zweifellos zum einzigen Heilmittel... Doch die sagenhafte Insel der Etrusker wurde nicht gefunden." „Dies hätten deren Ahnen niemals zugelassen", fügte ihre Schwester hinzu. Die seltsamen Ausführungen könnten einer Wahnsinnigen entsprungen sein, doch ihr ernster Ausdruck ließ einen solchen Verdacht bei ihren Zuhörern nicht aufkommen. - „Das klingt ja abgefahren! Sag mal, spielst du Rollenspiele? Könnten wir uns mal im Netz treffen und du erzählst mir dann mehr von deinen hammergeilen Welten?" - „Lass uns lieber jetzt ein weniger harmloses Spielchen spielen, bevor dies ein theologischer Adventsabend wird." (Sie lächelte bezaubernd). „Gleich setzt hier jegliches Licht aus. Ich und meine Sis ziehen uns dabei nackt aus und dann werden wir dich abwechselnd reiten, bis du um Gnade bettelst. Ich will nur ein Ja oder ein Nein, Süßer." „Oh ja!" „Das waren zwei Worte, mein Lieber..." „JaJaJa!!!" © j.w.waldeck 2009 Where sad girls fly away...
  4. 04.11.2010 Instrument Gott Du bist mein Sumpfgebiet, das schärfste Vollblut im Gestüt. Deine Zauberkraft hält magisch mich in Einzelhaft und doch mittendrin. Kein Verstand! Kein Sinn! Bin, Gebieterin, verrückt nach Dir, Mitternachtsstern. Du bist mein Eiffelturm, erobert hast Du mich im Sturm, Deine Leidenschaft. Und von der Spitze rinnt der Saft, der mir, unverhüllt, meine Sehnsucht stillt! Ja! Ich bin erfüllt, beglückt von der Kraft meines Herrn. Stellt sich ein Keuchen dar, wo Keuschheit streng befohlen war? Gott verdamme Euch! So kommt Ihr nie ins Himmelreich, in die Hölle fahrt, da Ihr euch gepaart! Hab als Sittenwart geschickt nach der Strafe des Herrn. Du bist mein Sündenfall, versuch mich bitte noch einmal, Satan, knabenhaft! Dafür wirst Du gerecht bestraft: Auf die Knie hinab, nimm mir die „Beichte“ ab! Und schweig wie ein Grab, erdrückt von der Last Deines Herrn. Du bist mein Seelentod, mein Unterdrücker in der Not! Teuflisch väterlich hast Du bemächtigt meiner Dich und lässt nicht mehr los! Gierig, hart und groß! Nein! Sei rigoros zerdrückt, einst, im Zorn Deines Herrn. Du bist mein Zufluchtsort. Ich berge, Herr, mich immerfort nur in Deiner Hand. Bevor die Angst mich übermannt traue ich auf Dich, denn Du schützest mich! O wie stark bin ich, gerückt in die Kraft meines Herrn. S. Athmos Welakis Originaltext: Du bist mein Zufluchtsort (ich berge mich in deiner Hand), Gitta Leuschner, 1985 Melodie: Michael Ledner, 1981
  5. J.W.Waldeck

    Gutsherren sind sich einig

    Gutsherren sind sich einig Herr verschworener Geschwüre im Speichel guter Gutzel die sich selbst zu gut sind in der Herrlichkeit vergebener Stühle allzu fest verwurzelt im eindimensionalen Sog der zum gängigen Portal wird da eigenwillig Geist nicht ausnahmslos abstirbt der Regel der Energie-Egel entfloh die zwangsläufig kreist ihr manisches Mantra wiederholt durch reinen Ablauf verführt wo seelisch verwirklicht gespeichert Vitallicht eigene Quellcodes kürt damit ungeteilt – kein Gegensatz das gleichgültige Joch verherrlicht das nur dort existieren darf wirkt alles andere verderblich © j.w.waldeck 2017
  6. Ponorist

    Katholischer Duft

    Katholischer Duft Passiv Weihrauch atmen Geatmet werden Von Jahrhunderten Von dritter Hand Aus der Wand Von der Atmosphäre In die Nase In den Körper Die Seele Das Unsterbliche Untote, morbide So lange umgedichtet Bis es passt Wer hasst Ist wieder des Todes Im Zweifel Den Absprung Der Wiedererweckung Der Auferstehung In Weihrauchduft Unlebendig, grabesstill Drückt die Seele Das Gefühl Die Erinnerung An den Zwang Bis sie wankt Steine auf Steinen Künstlerwerke Bescheidener Glanz Geheimes Wissen Unwissender Glaube Deutungshochheit Machtwille aber Verleugnung des Wahren Gewalt verweilt Ewige Kälte Für die Ewigkeit Katholisch widerhallend Nur dieser Geruch ------------------------------------------------------ Dies sind nur ein paar abstrakte Brainstorming-Fetzen, die ich vor einiger Zeit nach einer stillen und unreflektierten Besichtigung eines Doms aufgeschrieben habe. Jetzt kam mir beim Feinschliff die verrückte Idee, dass das die linke Seite des Gedichts sein könnte. Falls sich noch ein rechter Textrand ergibt, schreibe ich ihn sicher hier rein.
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